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Frage von Eva-Maria M. •

Frage an Brigitte Zypries von Eva-Maria M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

unter http://deutschelobby.wordpress.com/2008/04/24/die-angeklagten-profitieren-von-ihrer-turkischen-abstammung/ erfuhr ich von einem Prozess gegen junge Türken in Berlin, die öffentlich Folgendes geäußert hätten: “Ich f..e alle deutsche Frauen” und “Die Deutschen müssen vergast werden”(!).

Es sei für diese verbalen Entgleisungen (die - wenn sie von einem Deutschen Ausländern gegenüber geäußert worden wären - als Volksverhetzung gewertet worden sein dürften) ein vergleichsweise mildes Urteil ergangen (4 Wochen Arrest), über dessen "Begründung" zu erfahren ist:

"Die Angeklagten profitieren von ihrer türkischen Abstammung, betont die Richterin. Denn Deutsche, die sich derartig gegenüber Türken geäußert hätten, hätten mit sehr viel härterer Bestrafung rechnen müssen. Sie wären nicht nur wegen Beleidigung, sondern wegen Volksverhetzung verurteilt worden." (Quelle: http://www.rbb-online.de/_/abendschau/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_mini_7358730.html )

Frage: Inwiefern ist diese eklatante Ungleichbehandlung angesichts Art. 3, Abs. 3 GG ("Niemand darf wegen ... seiner Abstammung ... benachteiligt oder bevorzugt werden.) rechtlich statthaft?

Und: Halten Sie es für geboten, gegen die urteilende Richterin wegen Rechtsbeugung vorzugehen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Matthes,

ich bitte Sie um Verständnis, dass ich als Bundesministerin der Justiz konkrete Gerichtsentscheidungen generell nicht beurteile.

Losgelöst von dem konkreten Einzelfall möchte ich jedoch auf Folgendes hinweisen:

Der Straftatbestand der Volksverhetzung verbietet die Aufstachelung zu Hass gegen "Teile der Bevölkerung". Auch die Deutschen sind Bevölkerungsteil im Sinne des § 130 StGB und fallen damit in den Schutzbereich der Norm. Weitere Voraussetzung des Volksverhetzungstatbestands ist, dass die in § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB genannten Handlungen in einer Weise erfolgen müssen, die geeignet ist, den "öffentlichen Frieden" zu stören. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn offene oder latente Gewaltpotentiale geschaffen werden, ein Zusammenleben ohne Furcht nicht mehr möglich ist und damit in dem angegriffenen Bevölkerungsteil das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird. Kriterien sind dabei vor allem Inhalt und Intensität des Angriffs, die Empfänglichkeit der Öffentlichkeit für solche Angriffe, die Sensibilität der betroffenen Gruppe dafür und ihre starke oder mehr oder minder gefährdete Position in der Gesellschaft. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Allerdings spricht viel dafür, dass eine Störung des öffentlichen Friedens bei einem verbalen Angriff auf "Deutsche" in der Regel nicht gegeben ist, denn angesichts der Tatsache, dass die Deutschen die große Mehrheit der Bevölkerung stellen, bedarf es ungleich mehr, damit in diesem Bevölkerungsteil das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird als bei einer Hetze gegen Bevölkerungsminderheiten.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries