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Frage von Peter Josef S. •

Frage an Brigitte Zypries von Peter Josef S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Beste Frau Zypries,

Sie heben immer wieder auf den Umstand ab, dass die BRD eine Demokratie und Rechtsstaat sei.

1. Allerdings habe ich da so meine Bedenken, da ein Grossteil der gültigen Gesetze aus einer Zeit stammt, die man wohl nicht als demokratisch bezeichnen kann. Z. B. das BGB, oder die Bahngesetze (weshalb man auch heute keinen Schadensersatzansprcu an die Bahn hat, auch wenn diese keine Leistung erbringt), Gesetz zum Schornsteigreinigen (Monopol, wobei auch gleich noch Erbfolge gilt ) usw..

2. Nach meinen Erkenntnissen zeichnet sich ein Rechtsstaat dadurch aus, dass eine strenge Trennung zwischen Exekutive, Legislative und Jurisdiktion vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht der Fall in der BRD, soweit ich weiss sind Staatsanwaltschaften gegenüber dem jeweiligen Landesinnenminister weisungsgebunden, was nach Zeitungsberichten dementsprechende Ergebnisse zeitigt. (siehe bspw. Spiegeltitelstory über Siemens und insbesondere über von Pierer vom 14.04.2008)

3. Soweit ich weiss, werden die Bundesgesetze hinsichtlich der Strafen länderspezifisch angewandt. Bspw. wird der Besitz der gleichen Menge von Marihuana in Schlesig-Holstein geringer bestraft als in Bayern. Ist das gerecht?

4. Warum kann ein Beamter im Gegensatz zu einem Angestellten für grobe Fahrlässigkeit nicht belangt werden und auch nicht schadensersatzpflichtig werden und auch sein Dienstherr (Behörde) nicht. Ist das gerecht? Desweiteren scheint mir die Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" und vielleicht Ihnen vernünftig. Nun gibt es leider hinreichend beispiele aus Ämtern, in denen öfftl. Angestellte und Beamte die gleiche Arbeit versehen und trotzdem erhalten Beamte, bei sonst gleichen Voraussetzungen einen höheren Nettolohn und haben aufgrund des geringen Bruttoeinkommens auch einfacher Zugang zu staatlichen Leistungen.

Erklären Sie mir bitte diese in meinen Augen Inkonsistenzen und die ungleiche Behandlung.

Beste Grüsse

Peter Stauvermann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Stauvermann!

Zu 1.:
Es ist nicht richtig, dass "ein Großteil" der bundesdeutschen Gesetze aus "undemokratischen Zeiten" stammt. Es stimmt zwar, dass einige bedeutende Gesetze, wie das Bürgerliche Gesetzbuch oder auch die großen Prozessordnungen (ZPO und StPO), aus der Zeit vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland stammen. Diese Gesetze hat der Gesetzgeber im Laufe der Jahre jedoch ausführlich geprüft, geändert und übernommen. Eine Entnazifizierung des BGB wurde beispielsweise bereits unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges im Jahr 1946 vorgenommen.

Auch sind diese "alten" Gesetze nicht zwingend schlechte Gesetze. Das Bürgerliche Gesetzbuch entstand nach vierjähriger Beratung. Wie froh wären wir heute, wenn wir so lange Zeit hätten, um ein Gesetz zu erarbeiten. Man merkt dem Gesetz nämlich an, dass so ausführlich an ihm gearbeitet wurde. Die sprachliche Geschliffenheit des BGB ist, trotz seines Alters, immer noch beeindruckend. Nicht umsonst sind nicht unerhebliche Teile des BGB seit seinem Erlass im Jahre 1900 sprachlich und inhaltlich unverändert geblieben. Es bestand und besteht einfach kein Grund, diese Regelungen zu ändern, nur weil sie vor 1949 erlassen wurden.

Was das Schornsteinfegerwesen angeht, so hat die Bundesregierung im März 2008 eine Lockerung beschlossen.

Zu 2.:
Die Staatsanwaltschaft ist anerkanntermaßen Organ der Exekutive. Das Weisungsrecht der Justizminister ist somit keine Durchbrechung der Gewaltenteilung. Zudem ergeben sich ohnehin aus dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) und den allgemeinen Strafgesetzen (z.B. §§ 258a, 344, 345 StGB) Grenzen des Weisungsrechts.

Zu 3.:
Für jeden Straftatbestand ist ein bestimmter nach unten und oben begrenzter Strafrahmen vorgegeben. Wie hoch die Strafen für Gesetzesverstöße konkret ausfallen, hängt vom Einzelfall ab und ist Sache des Tatrichters. Bei der Strafzumessung hat der Tatrichter viele Faktoren zu berücksichtigen, die sich positiv und negativ auf die Höhe der Strafe auswirken. Solange sich der Strafrichter mit der verhängten Strafe im Rahmen des rechtlich zulässigen hält, ist dies nicht zu beanstanden.

Zum von Ihnen angesprochenen Themenkomplex des unterschiedlichen Umgangs der einzelnen Bundesländer mit Marihuana: Der Besitz auch geringer Mengen Marihuana ist strafbar. Es gibt kein "Recht auf Rausch". Es liegt allerdings im Ermessen der Staatsanwaltschaft, bei Besitz lediglich geringer Mengen zum Eigenverbrauch von der Strafverfolgung abzusehen (§ 31a BtMG). Wie die einzelnen Staatsanwaltschaften mit dieser Vorschrift umgehen, liegt außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches. Festzustellen bliebt jedoch: Es gibt keinen generellen "Freibrief" zum Besitz von Betäubungsmitteln, auch nicht geringer Mengen zum Eigenbedarf. Sofern entsprechende Strafverfahren eingestellt oder gar nicht erst eröffnet werden, hat dies nichts damit zu tun, dass keine strafbare Handlung vorliegt, sondern vielmehr mit dem den Staatsanwaltschaften eingeräumten Ermessensspielraum.

Zu 4.:
Beamte müssen bei Verletzungen von Amtspflichten sehr wohl haften (z.B. § 839 BGB). Bei nicht-amtsbezogenen Verfehlungen kommt eine Eigenhaftung des Beamten in Betracht (z.B. §§ 823, 826 BGB). Und auch die Behörde, der der Beamte angehört, muss für dessen Verfehlungen einstehen (Art. 34 GG). Insofern kann gar keine Rede davon sein, dass ein Beamter und die Behörde, der er angehört, nicht belangt werden könnten.

Es mag auf den ersten Blick ungerecht erscheinen, wenn Beamte und Angestellte für die vermeintlich gleiche Arbeit nicht das gleiche Geld erhalten. Allerdings sind Gehälter und Löhne von Angestellten und Beamten nur schwer miteinander vergleichbar. Denn zum einen hängt die Höhe des Nettoeinkommens von vielen verschiedenen Faktoren (wie Steuerklasse, Familienstatus, Zahl der Kinder etc.) ab. Und zum anderen sind vom Nettolohn eines Beamten noch die Kosten für die Krankenversicherung abzuziehen, die im Nettolohn eines Angestellten bereits enthalten sind.

Außerdem steht ein Beamter in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn, das in einer so strengen Form für Angestellte nicht. Beispielsweise ist es einem Beamten verboten zu streiken. Des weitern gilt für Beamte mitunter eine Residenzpflicht am Dienstort, d.h. der Beamte muss in dem Ort wohnen, in dem er seinen Dienst verrichtet. Verstöße gegen Dienst- und Treuepflichten können, selbst wenn sie außerhalb des Dienstes geschehen, disziplinarisch geahndet werden und sogar im Extremfall zur Entfernung aus dem Dienst führen.

Dies sind nur wenige Beispiele dafür, dass mit den Vorzügen der Beamtenstellung (z.B. Unkündbarkeit) auch Verpflichtungen einhergehen, die so für Angestellte nicht bestehen. Deshalb halte ich Beamte und Angestellte für nicht miteinander vergleichbar.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries