Frage an Brigitte Zypries von Walter Dr. A. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
als Gerichtssachverständiger habe ich täglich mit Familiendramen nach Trennung/Scheidung zu tun.
Die sog. ´hochstrittigen´ Fälle, die enorme Folgekosten aufwerfen, beginnen nach meiner Beobachtung zu etwas 50% mit der (unzulässigen) Entführung eines Kindes aus einem gemeinsamen Haushalt. Diese Art der innerstaatlichen Kindesentführungen werden in Deutschland als Bagatellen behandelt, meist werden Anzeigen gar nicht erst aufgenommen.
Meine zwei Fragen:
a) Plant das Ministerium bzw. eine Fraktion angesichts der erheblichen kriminellen Energie solcher Entführungsaktionen und der desaströsen Langzeitfolgen für die betroffenen Kinder eine (strafrechtliche eindeutige) Gesetzgebungsinitiative mit dem Ziel, diesem Wild-West-Gebahren verantwortungsloser Elternteile im Trennungsprozess Einhalt zu gebieten ? Damit könnten Millionen an Sachverständigenhonoraren eingespart werden.
b) Nach meinen Beobachtungen dienen die sog. ´Frauenhäuser´ heute für einen erheblichen Teil der BewohnerInnen als preiswertes Hotel nach Trennung/Scheidung mit dem ZIel, dem anderen Elternteil das Kind zu entziehen ohne dass im Vorfeld irgendeine nennenswerte ´Gewalt´ stattgefunden hätte. Könnte diesem Treiben ein Ende bereitet werden indem neutrale, staatliche Einrichtungen (z.B. Diakonie, Jugendamt etc) im Rahmen eines festzulegenden Verfahrens beauftragt werden, den Zugang zu diesen faktisch rechtsfreien Räumen und Fluchtburgen auch für krimnelle Elemente (vgl. a) zu regulieren ?
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Walter Andritzky
Sehr geehrter Herr Dr. Andritzky,
das Bundesministerium der Justiz plant keine Strafvorschrift für den Fall, dass ein Elternteil mit dem gemeinsamen Kind den bisherigen gemeinsamen Haushalt verlässt, ohne dass der andere Elternteil zugestimmt hat. Die strafwürdigen Konstellationen werden bereits vom geltenden Recht erfasst. So kann sich ein Angehöriger eines Kindes strafbar machen, wenn er dieses unter Einsatz von Nötigungsmitteln oder List beiden oder auch nur einem Sorge- oder Umgangsberechtigten entzieht oder vorenthält. Weiter sind Fälle strafbewehrt, in denen ein Kind gegen den Willen des oder der Sorgeberechtigten ins Ausland verbracht werden soll oder im Ausland vorenthalten wird. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, auch die Kindesentziehung durch einen Angehörigen im Inland ohne den Einsatz von Nötigungsmitteln oder List unter Strafe zu stellen. Er wollte damit verhindern, dass Streitigkeiten geschiedener oder getrennt lebender Eltern um das gemeinsame Kind vermehrt zum Gegenstand von Strafverfahren werden, anders als oftmals bei Auslandsentführungen ist hier Schutz durch das Zivil- und Zivilprozessrecht zu erreichen. Jeder Elternteil kann beim Familiengericht eine Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragen; soweit erforderlich, kann das Gericht im Eilfall Entscheidungen zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auch im Wege der einstweiligen Anordnung erlassen.
Ihre Auffassung, Gewalterfahrungen von Frauen, die Frauenhäuser mit ihren Kindern aufsuchen, seien in aller Regel nur vorgeschoben, kann ich nicht teilen. Laut einer repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erleben 25% der Frauen Gewalt durch ihren aktuellen oder ehemaligen Lebenspartner. Frauenhäuser sind eine wichtige Zufluchtstätte für diese Frauen und kein „billiges Hotel“. Dabei ist es grundsätzlich Sache der Träger der Frauenhäuser, wem sie Zugang zu ihren Häusern gestatten. Außer auf indirektem Wege, nämlich über die finanzielle Förderung durch die Länder und Kommunen, gibt es für die öffentliche Hand keine Möglichkeit, darauf Einfluss auszuüben.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries