Frage an Brigitte Zypries von Christopher W. bezüglich Kultur
Sehr geehrte Frau Zypries,
am 01.01.2008 trat das neue Urheberrechtsgesetz in Kraft, was vom deutschen Bundestag beschlossen wurde. Zu diesem "Verbraucherfreundlichen" Gesetz habe ich einige Fragen.
1. Der Download von rechtswidrig hergestellten Kopien ist verboten, bin ich jetzt ein Verbrecher (da ja auch die Bagatell Klausel abgeschafft wurde) wenn ich mir Filme, Spiele, Musik... aus dem Netz herunterladen möchte die es im Handel seit Jahren nicht mehr gibt.
2. Ist es eigentlich nur ein Zufall oder warum trat dieses Gesetz am selben Tag wie die Vorratsdatenspeicherung in Kraft (wurde zum Glück vom Bundesverfassungsgericht z.T. gestoppt!).
3. Bestimmt ist es nur ein Zufall, denn nachdem das BVerfG die Vorratsdatenspeicherung nur zu Nutzung bei schweren Straftaten freigegeben hat, hatte die große Koalition wieder eine neue Idee, nämlich das die Daten von Filesharern ohne staatsanwaltliche Ermittlungen von der Musikindustrie direkt vom Provider gefordert werden dürfen (natürlich nur mit richterlichen Beschluss, der für seine Entscheidung z.T. nicht einmal 10 Minuten Zeit hat).
4. Sind Sie eigentlich enttäuscht das das BVerfG derzeit so viele Gesetze von Ihnen stoppt, ich meine da macht man sich doch bestimmt so seine Gedanken über die Qualität seiner Arbeit?
5. Verleihen sie eigentlich manchmal CDs oder DVDs an ihre Freunde (z.B. den Film "1984" an Wolfgang Schäuble), dann müssten sie doch wissen wie manche Silberlinge wieder zurückkommen! Wieso gestehen sie den Menschen keine Kopien ihre teuer erworbenen (kopiergeschützten) DVDs & CDs zu und stempeln sie zudem noch als Raubkopierer ab.
6. Was kosten die Staatsanwaltschaften eigentlich die "sinnlosen" Ermittlungen gegen Filesharer, die dann strafrechtlich eingestellt werden. Gewinnen kann ja dabei nur die Musikindustrie und gewisse geldgierige Anwaltskanzleien. Was bringt dem Rechtsstaat die Verfolgung solcher Bagatelle?
Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner Fragen, wenn Sie sie denn beantworten sollten.
Sehr geehrter Herr Wixwat,
an der Zulässigkeit der Privatkopie hat sich durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (so genannter "Zweiter Korb) nichts geändert. Die Privatkopie ist und bleibt zulässig, egal ob analog oder digital. Wie schon nach altem Recht allerdings nur dann, wenn hierfür kein wirksamer technischer Kopierschutz überwunden werden muss und die Vorlage für die Vervielfältigung eine legale Quelle ist. Mit dem Zweiten Korb wird lediglich klargestellt, dass die Quelle auch dann illegal ist, wenn diese offensichtlich rechtswidrig im Internet zum Download angeboten wird. Eine Bagatellklausel, nach der rechtswidrige Vervielfältigungen dann von der Strafbarkeit ausgenommen werden, wenn es sich um Fälle mit nur geringem Unrechtsgehalt handelt, existierte weder nach alter Gesetzeslage noch gibt es eine solche nach heute geltendem Recht.
Zwischen dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ und dem Inkrafttreten des „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ besteht kein Zusammenhang. Beide Gesetze wurden in getrennten Gesetzgebungsverfahren behandelt.
Das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ geht auf einen Referentenentwurf meines Hauses vom Dezember 2005 zurück und verschafft Rechtsinhabern erstmals einen Auskunftsanspruch gegen an Rechtsverstößen unbeteiligte Dritte wie Internetprovider. Hierdurch soll die Identität möglicher Rechtsverletzer wie etwa in Tauschbörsen aufgedeckt werden und damit dem geistigen Eigentum einen Schutz bieten, der den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügt. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist jedoch, dass der Rechtsverletzer im gewerblichen Ausmaß gehandelt hat. Über die entsprechende Herausgabe von hinter einer IP-Adresse stehenden Nutzerdaten muss ein Gericht entscheiden.
Am 11. März 2008 hat das Bundesverfassungsgericht in einer am 19. März 2008 veröffentlichten Entscheidung im einstweiligen Verfahren beschlossen, dass bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren die Pflicht zur Speicherung von sogenannten Vorratsdaten für sechs Monate entsprechend der EU-Richtlinie bestehen bleibt. Das Gericht lässt damit die Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten weiterhin zu. Die Übermittlung der Daten durch die Telekommunikationsunternehmen an die Strafverfolgungsbehörden ist jedoch uneingeschränkt nur zur Verfolgung von schweren, im Katalog des § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung genannten Straftaten zulässig. Bei Straftaten von nur im Einzelfall erheblicher Bedeutung und solchen, die mittels Telekommunikation begangen wurden, dürfen die Telekommunikationsunternehmen diese Daten nur übermitteln, wenn sie sie auch zu eigenen Zwecken, wie zum Beispiel zur Entgeltabrechnung, vorhalten und speichern. Werden in diesen Fällen die Daten nur aufgrund der sogenannten Vorratsdatenspeicherung vorgehalten, dürfen sie bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nicht übermittelt werden und müssen separat vom Telekommunikationsunternehmen abgelegt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat damit keine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Vorratsdatenspeicherung getroffen.
Aufgrund europäischer Vorgaben ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, einen angemessenen Schutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen vorzusehen. Die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen ist jedoch nicht strafbar, wenn die Tat ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch des Täters oder mit dem Täter persönlich verbundener Personen erfolgt oder sich auf einen derartigen Gebrauch bezieht.
Nach dem in der Strafprozessordnung niedergelegten Legalitätsprinzip ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat bestehen. Sie hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, eine Unterscheidung hinsichtlich bestimmter Straftaten – wie von Ihnen gefordert – kann es entsprechend nicht geben. Erst nach Aufklärung des konkreten Sachverhalts kann die Staatsanwaltschaft beurteilen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklage besteht, der Fall mangels eines solchen einzustellen ist oder nur einen geringen Unrechtsgehalt aufweist und aus Opportunitätsgründen einzustellen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries