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Frage von Frank F. •

Frage an Brigitte Zypries von Frank F. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

wen kann man für eine zu lange Verfahrensdauer haftbar machen?

Es geht in meiner Frage um einen Schadensersatzprozess, der seit 1999 geführt wird. Diverse Gerichte, u.a. ein OLG haben der Sache nach entschieden und uns Recht gegeben (2004). Seit dem soll nun ein LG die Schadenshöhe ermitteln. Es folgen Gutachten und Ergänzungsgutachten.

Unser Prozessgener bzw. seine Versicherung hat bis jetzt keine adäquaten Vorleistungen erbracht und sitzt die Sache aus.

Aufgrund der Tatsache, dass wir nun seit weit über 10 Jahren, die von uns eingeklagte Schadessumme (siebenstellig) vorfinanziert haben und uns nun das Geld ausgeht, kommen wir in eine ärgerlich Situation. Es geht bis zur Zwangsversteigerung unser Immobilien, bis hin zur Eidesstattlichen Versicherung.

Dies hätte vermieden können, wenn die Gerichte etwas "zeitnaher" arbeiten würden.

Was nützt es, wenn man Recht bekommt, diese aber erst nach Jahren und Jahrzehnten und dadurch ein sozialer Abstieg vorprogrammiert ist.

Es kann doch nicht in Ihrem Sinne sein, wenn aufgrund der Überlastung der Gerichte aus ehemaligen Arbeitgebern Harz4 Empfänger werden, oder?

Sollten wir, wovon ich ausgehe, unseren Schaden ersetzt bekommen,
ist das die eine Sache. Schliesslich wird die Schadenssumme ja verzinst.

Aber wer ist für den Schaden zuständig, der durch die überlange Proßessdauer entstanden ist und weiter entseht?

Da kann weder unser Prozessgegner, der alle legitimen Rechtmittel ausschöpft, was sein gutes Recht ist, noch können wir was dafür.

Wäre die Verfahrensdauer zügig vonstatten gegangen (2,3, max. 4 Jahre) wäre auch nicht soweit gekommen.

Mit freundlichen Grüßen
F.Faibel

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Faibel,

bei überlanger Verzögerung eines Gerichtsverfahrens kann dem Geschädigten ein Amtshaftungsanspruch zustehen, wann von einem überlangen Verfahren gesprochen werden kann, hängt vom Einzelfall ab - beispielsweise von der Schwierigkeit des Falles oder dem Verhalten der Parteien. Ein Amtshaftungsanspruch setzt weiter ein Verschulden des Richters voraus, in Ausnahmefällen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein solcher Amtshaftungsanspruch auch dann in Betracht kommen, wenn zwar den Richter selbst wegen seiner Überlastung kein Verschulden trifft, die zuständige Landesjustizverwaltung es aber schuldhaft versäumt hat, die Gerichte so auszustatten, dass sie die Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können. Schuldner eines Amtshaftungsanspruchs ist die sogenannte "Anstellungskörperschaft" - wenn kein Bundesgericht beteiligt ist, also das Bundesland, in dessen Bezirk das betreffende Gericht liegt. Liegt eine schuldhafte Verfahrensverzögerung vor, kann allerdings nur Ersatz für materielle Vermögensschäden verlangt werden.

Ich bin der Auffassung, dass die rechtliche Situation derer, die von einem überlangen Gerichtsverfahren betroffen sind, dringend verbessert werden muss. Hierzu hat es in letzter Zeit mehrere Initiativen gegeben:

Zum einen hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern den Entwurf für ein Forderungssicherungsgesetz erarbeitet, der bereits im Deutschen Bundestag beraten wird. Das Forderungssicherungsgesetz sieht die Einführung einer sogenannten vorläufigen Zahlungsanordnung in die Zivilprozessordnung vor. Mit der vorläufigen Zahlungsanordnung sollen Kläger in einem laufenden Zivilverfahren schneller an ihr Geld kommen. Damit kann gerade auch Geschädigten in Prozessen gegen die Schädiger oder deren Versicherungen geholfen werden. Aus einer vorläufigen Zahlungsanordnung kann der Kläger nämlich - ggf. gegen eine Sicherheitsleistung - sofort vollstrecken und braucht das Ende des Verfahrens nicht abzuwarten. Die vorläufige Zahlungsanordnung kann daher ein Mittel gegen eine Prozessverschleppung durch den Beklagten sein. Außerdem kann eine vorläufige Zahlungsanordnung helfen, wenn ein Sachverständiger sein Gutachten noch nicht vorgelegt hat oder auch, wenn das schriftliche Gutachten zwar vorliegt, eine Anhörung des Sachverständigen aber noch ergänzend erfolgen muss. Voraussetzung für den Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung ist, dass die Klage nach vorläufiger Einschätzung des Richters hohe Aussicht auf Erfolg hat. Außerdem muss der Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung notwendig sein, um die besonderen Nachteile abzuwenden, die sich für den Kläger aus der voraussichtlichen Verfahrensdauer ergeben. Ob und wann das Gesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen wird, lässt sich derzeit noch nicht absehen.

Daneben hat das Bundesministerium der Justiz bereits im Jahre 2005 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für Situationen überlanger Verfahrensdauer einen neuen Rechtsbehelf vorgesehen hat, die so genannte Untätigkeitsbeschwerde. Bislang sieht das Prozessrecht keinen ausdrücklichen Rechtsbehelf vor, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen langsam verläuft. Beschwerden gegen eine überlange Verfahrens­dauer sind nur in einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken auf Grundlage richterrechtlicher Rechtsfortbildung als statthaft anerkannt. Diese Situation sollte durch den Entwurf verbessert werden. Die Vorschläge meines Hauses sind in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begrüßt worden. Der Gesetzentwurf ist jedoch politisch sehr umstritten und wird nicht mehr weiterverfolgt. Das Bundesministerium der Justiz erarbeitet derzeit ein neues Konzept, mit dem den Bedenken Rechnung getragen werden kann. Im Mittelpunkt der aktuellen Überlegungen steht die Frage einer Entschädigung des Betroffenen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries