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Frage von Florian D. •

Frage an Brigitte Zypries von Florian D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag,

Der Friedensnobelpreisträger IPPNW schreibt:
"Die am 1. August 2001 in Kraft getretene rot-grüne Strahlenschutzverordnung erlaubt die unbegrenzte Freisetzung radioaktiver Abfälle in die Umwelt. Alte stillgelegte Atommeiler können abgerissen und der strahlende Bauschutt schlichtweg auf der nächsten Hausmülldeponie abgeladen werden. Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, rechnet mit zigtausend Strahlentoten aufgrund der neuen Verordnung."
Beleg:
www.ippnw.de/Atomenergie/strahlenschutz

Sie haben ein öffentliches Mandat. Was haben Sie persönlich bisher und für die Öffentlichkeit nachweisbar gegen diesen vom Friedensnobelpreisträger IPPNW kritisierten und oben angeführten unhaltbaren Zustand unternommen?

Ist das Atomkraftwerk Biblis vor allem deshalb noch am Netz, weil DIE ROTGRÜNEN ihre Regierungszeit vertrödelt und alle Chancen zur Stillegung versiebt haben? Wollten weder Jürgen Trittin als ROTGRÜNER Bundesumweltminister noch Priska Hinz, seine heutige Kollegin in der Bundestagsfraktion von Bündnis `90/ DIE GRÜNEN, das Atomkraftwerk Biblis ernsthaft abschalten? Schoss Priska Hinz als damalige ROTGRÜNE "Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Hessen" nicht den Vogel ab, als sie medienwirksam eine Stillegungsverfügung der Öffentlichkeit präsentierte und dann "vergaß", diese Stillegungsverfügung auch dem Nuklearkonzern RWE als Betreiber zuzustellen?

Verbindlichst!
Florian Dengler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dengler,

die SPD-geführte Bundesregierung hat mit dem Atomkonsens die Weichen für ein Ende der nuklearen Stromversorgung hin zu einer modernen Energiepolitik für unser Land gestellt. Unser Ausstiegsgesetz vom Dezember 2001 hat diese Politik rechtlich verbindlich umgesetzt und ihr eine langfristige Perspektive für Ausstieg und Umstieg vorgegeben. Das war ein großer Fortschritt für unser Land, denn unsere Politik des Atomausstiegs im Konsens hat die langjährige lähmende und tiefgreifende Spaltung unserer Gesellschaft im Streit um die Atomkraft beendet.

Diese Politik hat bereits umfänglich Erfolg gezeigt:

Das Atomkraftwerk Stade wurde abgeschaltet. Das Atomkraftwerk Obrigheim folgte, nachdem die Betreiberin von der im Atomgesetz vorgesehenen Flexibilitätsregelung für die Restlaufzeiten Gebrauch gemacht hatte. Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich ist endgültig nicht ans Netz gegangen. Die Lieferung abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitung ins Ausland wurde zum 1. Juli 2005 eingestellt, die Zahl der Castor- Transporte drastisch reduziert. Der Neubau von Atomkraftwerken ist seit 2002 verboten.

Mit der neuen Strahlenschutzverordnung wurde der Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiver Strahlung auf eine neue Grundlage gestellt und ein wichtiger Schritt zur umfassenden Durchsetzung eines anspruchsvollen Strahlenschutzes in Deutschland vollzogen.

Die Behauptung, aufgrund dieser Verordnung könne "strahlender Bauschutt schlichtweg auf der nächsten Hausmülldeponie abgeladen werden" ist Unsinn. Es ist zwar richtig, dass bestimmte Abfälle mit geringfügiger Kontamination oder Aktivierung freigegeben, also von der strengen atom-/ strahlenschutzrechtlichen Überwachung befreit werden können. Dies gilt allerdings nur für Stoffe, die eine effektive Dosis von nur 10 Mikrosievert im Kalenderjahr für eine Person der Bevölkerung nicht übersteigen. Diese Stoffe gelten dann nicht mehr als "radioaktiver Abfall" im Sinne des Atomgesetzes. Für die weitere Verwertung dieser Stoffe gelten dann die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.

Es ist also nicht richtig, dass "strahlender Bauschutt" auf einer Hausmülldeponie landet.

Zum Thema Biblis möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Mai 2007 die vom Essener Energiekonzern RWE beantragte Übertragung von Strommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Atomkraftwerk Biblis A abgelehnt hat. Diese Entscheidung hat der VGH Kassel kürzlich bestätigt. Die SPD begrüßt diese Entscheidung und hält weiter an einer Schließung des AKW Biblis fest. Zeit "vertrödelt" wurde hier nicht, da nicht von heute auf morgen alles abgeschaltet werden kann.

Hinsichtlich Ihrer Kritik an Herrn Trittin und Frau Hinz bitte ich Sie, sich direkt an diese zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries