Frage an Brigitte Zypries von Detlev T. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
in dem gestrigen Urteil wegen der automatisierten Kfz-Kennzeichen-Erfassung hat das BVerfG eine "anlasslose oder flächendeckende" Datensammlung als verfassungswidrig erklärt. Es ist für mich daher keine Frage, dass jede(!) Form der ebenfalls anlasslosen und flächendeckenden Sammlung von Verbindungsdaten alias "Vorratsdatenspeicherung" genauso nichtig sein wird. Es ist daher nicht möglich, die EU-Richtlinie 2006/24/EG in Deutschland rechtswirksam umzusetzen.
Meine Frage ist jetzt, wie sich das auf EU-Ebene auswirken wird. Leider kenne ich mich da überhaupt nicht aus. Müssen wir dann bis auf weiteres Strafe zahlen, weil eine EU-Richtlinie nicht umgesetzt wird? Oder wird umgekehrt eine Richtlinie des Ministerrats automatisch ungültig, wenn sie gegen die Verfassung eines Mitgliedlandes verstößt? Gibt es überhaupt schon eine Regelung für diesen Fall, oder bleibt Ihnen nur übrig, dort auf politischer Ebene einen neuen Beschluss zu erreichen? (Was sicher nicht einfach sein wird).
Vielen Dank für Ihre Antwort,
Detlev Tietjen
Sehr geehrter Herr Tietjen,
Ihre Schlussfolgerung aus der Entscheidung zum sog. Kfz-Kennzeichenscanning teile ich nicht.
Die Verfassungsmäßigkeit des deutschen Umsetzungsgesetzes wird zur Zeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Dessen Entscheidung, die Ihre Ausgangsfrage inhaltlich beantworten wird, bleibt abzuwarten. Für die Entscheidung über die Gültigkeit der Richtlinie ist der Europäische Gerichtshof zuständig. Er hat jüngst die Gültigkeit der Richtlinie bejaht. Die Kollision mit nationalem Verfassungsrecht gehört dabei nicht zum Prüfungsumfang der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries