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Frage von Ulrich P. •

Frage an Brigitte Zypries von Ulrich P. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ministerin,

auf meine Frage vom 4.01.08 auf diesem Portal habe ich gestern von Ihnen eine Antwort erhalten.. Dafür bedanke ich mich.
Da Ihre Antworten immer sehr sachgerecht und kompetent sind, ver-
folge ich regelmäßig diese mit großem Interesse. Umso enttäuschender
bin ich auf die Antwort meiner Frage.
Es geht mir nicht um ausreichende Regelungen des Arbeitsrechtes.
Dies sind gute Gesetze. Meine Fragen richten sich ausnahmslos auf
die Umsetzung dieser Gesetze. Mit diesen Fragen sollte sich die
Justizministerin und nicht der Arbeitsminister beschäftigen.
Meine Frage richtet sich auf das Problem, das Firmen ihre Macht
gegenüber den Angestellten ausnützen und gesetzliche Ansprüche,
manchmal sogar in der Öffentlichkeit zugeben vorsätzlich, völlig
ignorieren. Dies können diese leicht tun, da keine Sanktionen drohen.
Beispiel:
Firmen zahlen rechtswidrig keine Lohnfortzahlung bei Feiertagen, Urlaub oder Krankheit. Und dies mit voller Absicht (siehe Panorama
vom 3.01.08). Um zu seinem Recht zu kommen, muss jetzt der
Angestellte auf seine Kosten Klage erheben, damit er nach einigen
Monaten sein Geld bekommt. Die Firma geht kein Risiko ein, da sie
Zinsen spart und vor Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes viele
nicht klagen. Für das rechtswidrige Verhalten droht der Firma keine
Sanktionen.
Dies widerspricht meinem Rechtsempfinden und ist in meinen Augen
einem Rechtsstaat unwürdig.
Wie sehen Sie diese Sache? Halten Sie nicht eine Ergänzung mit
der Androhung von Strafen bei Nichtbeachtung von eindeutigen
Vorschriften für erforderlich? Sind Sie bereit, als SPD-Ministerin
die Interessen der abhängig Beschäftigten zu stärken? Oder ist
Ihre Partei schon so weit weg von diesem Personenkreis, dass die
Interessen der Schlechtverdiener (um dies geht es in 1. Linie) keine
Rolle mehr spielen? Bei diesen New-Ökonomie-Methoden wird die
Linke weiter gestärkt. Machen Sie weiter so.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Parth
vorsätzlich

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Parth,

anders als von Ihnen vermutet ist auch für die Umsetzung der von Ihnen geforderten Regelungen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Leitung von Herrn Bundesminister Olaf Scholz zuständig. Ich möchte Ihnen aber noch kurz die aktuelle rechtliche Situation schildern. Vielleicht erledigt sich dadurch bereits Ihre Kritik.

Bei Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall geht es um die Einhaltung von zivilrechtlichen Ansprüchen zwischen Privatleuten. Die Einhaltung dieser Pflichten ist grundsätzlich nicht durch strafrechtliche Sanktionen gesichert. So gibt es ja beispielsweise auch kein Bußgeld oder keine Strafe für Mieter, die ihre Miete nicht zahlen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen aber zur Durchsetzung dieser Ansprüche der Rechtsweg offen. Dies wird ihnen dadurch erleichtert, dass beim Arbeitsgericht kein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen ist und sie keinen Rechtanwalt beauftragen müssen, sondern sich selbst vertreten können. Zudem trägt dort in der ersten Instanz jede Seite ihre Anwaltskosten selbst, so dass auch nicht das Risiko besteht, die Anwaltskosten des Arbeitgebers tragen müssen, wenn die Klage abgewiesen werden sollte. Im Übrigen besteht, wenn der Arbeitgeber seiner Zahlungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachkommt, auch ein Anspruch auf Zinsen, so dass der Arbeitgeber - anders als Sie vermuten - keinen Zinsvorteil hat. Um eine Klage aufnehmen zu lassen, können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Rechtsantragstelle des Arbeitgerichts wenden, die bei der Erstellung der Klage behilflich ist. Die Inanspruchnahme der Rechtsantragstelle ist kostenlos.

Soweit es allerdings nicht um privatrechtliche Ansprüche geht, sondern um gesetzliche Arbeitsschutzvorschriften, die im allgemeinen Interesse erlassen sind, etwa um Gesundheitsschutzvorschriften, sind Verstöße sehr wohl als Ordnungswidrigkeit eingestuft.

Im Übrigen drohen einem Arbeitgeber, der vorsätzlich und beharrlich gegen geltendes Recht verstößt und seinen Beschäftigten das ihnen zustehende Entgelt verweigert, durchaus Sanktionen. Zum einen kann er gewerberechtlich als "unzuverlässig" gelten und daher seine Gewerbezulassung verlieren. Zum anderen kann der Abschluss von Arbeitsverträgen, bei denen der Arbeitgeber schon im Vorhinein keine Absicht hat, sie auch tatsächlich einzuhalten, den Tatbestand des Betruges erfüllen. Nach einer Anzeige würde dies von der Staatsanwaltschaft entsprechend verfolgt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries