Frage an Brigitte Zypries von Alexander E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Zypries,
in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagten Sie folgendes: "Es nützt mir doch mein bestes Grundrecht nichts, wenn ich konkret fürchten muss, dass abends in der U-Bahn eine Bombe hochgehen kann."
Anders herum wird ein Schuh draus: Was nützt mir die vermeintliche Sicherheit vor einer Bombe (wie hoch sind die Chancen, ausgerechnet einem Bombenattentat zum Opfer zu fallen? 1:1000000?), wenn ich meine Grundrechte nicht mehr nutzen kann?
Nun ja, nicht ganz richtig. Mein Recht auf eine ungestörte und nicht überwachte Kommunikation per EMail nutze ich auch weiterhin aus. Ich nutze einen eigenen Server, der nicht überwacht wird. Die Kommunikation ist hart verschlüsselt und alle Sender und Empfänger mit denen ich kommuniziere, haben ihr Konto auf meiner Maschine. Jeder halbwegs intelligente Terrorist macht es genauso. Aber selbst wenn nicht, wie wollen Sie mit einer Vorratsdatenspeicherung präventiv einen Bombenanschlag verhindern? Die VDS bringt präventiv gar nichts.
Und somit ist ihr Satz in dem Interview nichts anderes als Augenwischerei. Oder was erhoffen Sie sich sonst, von der Überwachung von 80 Millionen Bürgern? Was sind die Ziele, die mit der VDS verfolgt werden?
MfG
Alex Ebner
Sehr geehrter Herr Ebner,
nach den Attentaten von Madrid im März 2004 wurde anhand von Handys, die man gefunden hatte, festgestellt, mit wem die Attentäter zuvor telefoniert hatten. Auf diese Weise konnte man andere aus dem terroristischen Umfeld fangen, die an den Attentaten beteiligt waren.
Für solche Fälle ist es sinnvoll und richtig, dass die Daten der Strafverfolgung zur Verfügung stehen.
Wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung aber nicht nur im Bereich der Bekämpfung des Terrorismus, sondern vor allem auch für Ermittlungen im Bereich der Computerkriminalität. Bei Straftaten im Internet, wie etwa dem Verbreiten von Kinderpornographie, ist oftmals der einzige Anknüpfungspunkt, um den Täter ermitteln zu können, die genutzte IP-Adresse. Will man den Anschlussinhaber ausfindig machen, geht das nur, wenn die IP-Adresse gespeichert ist und der Internetzugangsanbieter deshalb den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Auskünfte erteilen kann.
Oder stellen Sie sich zum Beispiel vor, die Leiche einer offenkundig keines natürlichen Todes gestorbenen Person wird an einem abgelegenen Ort aufgefunden. Oftmals wird hier der einzige Ermittlungsansatz darin bestehen herausfinden, von welchem Handy zum möglichen Tatzeitpunkt in der Nähe des Tatortes telefoniert wurde. Ohne eine Speicherung der Verkehrsdaten ist ein solches Unterfangen und damit vielleicht die Aufklärung der Straftat insgesamt zum Scheitern verurteilt.
Ein Beispiel für den Einsatz vorratsgespeicherter Daten in diesem Zusammenhang ist etwa der Fall des Mordes an dem bekannten Münchner Modeschöpfer Moshammer. Dort ist man dem Täter vor allem auf Grund von Funkzellenauswertungen auf die Spur gekommen.
Es ist auch nicht richtig, dass die Vorratsdatenspeicherung - wie Sie behaupten - "präventiv nichts bringt". Stellen Sie sich vor, ein Terrorverdächtiger wird festgenommen. Mit den gespeicherten Verkehrsdaten kann nun dessen Aktivität in der Vergangenheit rekonstruiert werden und Spuren und Hinweise zu Mittätern liefern. Durch die Ermittlung weiterer Täter können diese auch festgenommen und damit weitere Straftaten verhindert werden. Ein präventiver Nutzen der Vorratsdatenspeicherung ist also sehr wohl gegeben.
Es findet auch keine kontrollierte Überwachung der Bevölkerung statt. Eine Herausgabe der Daten ist nur zulässig, wenn es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder um eine mittels Telekommunikation begangene Straftat geht. Zudem entscheidet über die Herausgabe von einzelnen Daten ein Gericht. Es hat dabei genau festzulegen, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Eine flächendeckende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch die Vorratsdatenspeicherung wird es also gerade nicht geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries