Frage an Brigitte Zypries von Helge M. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
vielen Dank für Ihre Antwort auf mein Schreiben vom 28.01.08. Der Verweis auf das Antwortschreiben von Hr. Henke beantwortet meine Fragen jedoch nicht ausreichend. Herr Henke sieht in den Leitlinien des OLG Hamm eine Verletzung der Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Müttern beim Unterhaltsanspruch. Eine solche Ungleichbehandlung kann ich persönlich den Leitlinien allerdings nicht entnehmen.
Meine Frage zielte mehr in die Richtung, warum gemäß der Leitlinien des OLG Hamm trotz einer verläßlichen Fremdbetreuung des Kindes und wenn gleichzeitig weder sonstige kindsbezogene noch elternbezogene Billigkeitsgründe vorliegen, trotzdem nur eine Geringverdienertätigkeit bis zum Ende des ersten Schuljahres, danach eine Halbtagstätigkeit und ab dem Ende des fünften Schuljahres eine Vollzeittätigkeit erwartet werden kann. Neben diesem „Basisunterhaltsanspruch“ kann gemäß OLG Hamm die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten weiterhin aus kinds- oder elternbezogenen Gründen verneint und die Unterhaltsdauer ausgeweitet werden.
Kann demnach z.B. einer Mutter, bei der keine elternbezogene Billigkeitsgründe vorliegen und dessen gesundes Kind (Alter 3 bis 7 Jahre) eine Kindertagesstätte mit Ganztagsbetreuung besucht, nicht zugemutet werden, einer Teilzeitbeschäftigung (5 h - 6 h) nachzugehen?
Aus den Gesetzen, den Kommentaren des BJM und den entsprechenden Drucksachen des Bundestages zum Unterhaltsrecht, läßt sich ein solcher Sachverhalt jedenfalls nicht herleiten.
Aus dem vom Gesetzgeber formulierten dreijährigen Basisunterhaltsanspruch wird vom OLG Hamm nun ein Unterhaltsanspruch bis zum ca. 11. Lebensjahr gemacht, der im Einzelfall verlängert werden kann.
Wurden in dem vom OLG Hamm eingeführten Phasenmodell nur kindsbezogene Ansprüche berücksichtigt oder sind hier gemäß § 1570 auf den sich das OLG Hamm beruft, sowohl kindsbezogene als auch elternbezogene Gründe (nacheheliche Solidarität) einbezogen worden?
M.f.G.
Möhrmann
Sehr geehrter Herr Möhrmann,
ich bin froh darüber, dass die Oberlandesgerichte kurzfristig in der Lage waren, ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien dem neuen Unterhaltsrecht anzupassen. Bei der Dauer des Betreuungsunterhaltes lassen die aktuellen Leitlinien ganz überwiegend der Praxis den Raum, der für die notwendige Weiterentwicklung der Rechtsprechung und die gebotene Einzelfallentscheidung erforderlich ist.
Ich sehe allerdings auch die Versuchung, ein dem überholten Altersphasenmodell vergleichbares neues Modell zu schaffen. Die Praxis strebt aus verständlichen Gründen nach Rechtssicherheit und klaren Kriterien. Ein schematisches Vorgehen entsprechend dem bisherigen Altersphasenmodell ist mit dem Gesetz aber eindeutig nicht vereinbar. Die Frage der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils hängt nach der Reform eben nicht allein vom Alter des zu betreuenden Kindes ab. Die Orientierungswerte müssen daher offen sein und genügend Raum für die vom Gesetzgeber vorgegebene Einzelfallprüfung lassen. Hierauf weisen auch die von Ihnen genannten Leitlinien ausdrücklich hin.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries