Frage an Brigitte Zypries von Manuel B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
beim europäischen Polizeikongress sollen Sie, laut diverser Online-Medien, Ihre Kritik am Gesetz zur Speicherung von Flugpassagierdaten bekräftigt haben. Unter Verweis auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung hieß es von Ihnen, dass der Staat nicht alles, was er wissen könnte, auch wissen wolle und dürfe.
Prinzipiell ist diese Einstellung sehr löblich und es freut mich, dass es doch noch Politiker in der Regierung zu geben scheint, die zumindest schonmal davon gehört haben, dass es bürgerliche Grundrechte gibt. Aber dennoch, bei der Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung stimmten Sie mit „Ja“! Können Sie mir kurz erklären worin in Ihren Augen der Unterschied liegt zwischen der Speicherung von Telefon- und Handyverbindungsdaten, letztere sogar inklusive Standort, und der Speicherung von Reiseverbindungsdaten der Passagiere eines Flugzeugs?
Aus welchem Grund sollen Ihrer Meinung nach Flugpassagierdaten nicht gespeichert werden, Telefon- und E-Mail-Verbindungen allerdings schon? Ich sehe da im Hinblick auf Ihren Verweis auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung einige Diskrepanzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuel Bieh
Sehr geehrter Herr Bieh,
richtig ist, dass sowohl die Speicherung von Telekommunikationsdaten als auch die Speicherung von Flugpassagierdaten in Grundrechte eingreift. Die entscheidende Frage ist jedoch jeweils, wie intensiv in Grundrechte eingegriffen wird und ob der Eingriff zur Erreichung eines legitimen Zieles notwendig und angemessen ist.
Bei den Flugpassagierdaten wird bislang lediglich behauptet, dass die vorgesehene 13jährige Speicherung von insgesamt 19 Datenarten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke erforderlich sei. Ein nachvollziehbarer Beleg für diese Behauptung liegt mir aber bislang nicht vor. Ohne einen entsprechenden Beleg verbietet es sich jedoch für den Gesetzgeber, die mit der Regelung einer solchen Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffe vorzunehmen. Aber selbst wenn ein solcher Beleg erbracht würde, wäre noch sehr sorgfältig zu prüfen, ob die mit einer Speicherung etwaig verbundenen Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Grundrechtseingriffen stehen.
Anders verhält es sich bei der Speicherung von Telekommunikationsdaten. Hier ist unbestritten und vielfältig belegt, dass zahlreiche Straftaten ohne Rückgriff auf diese Daten nicht aufgeklärt werden können. Dies ist ohne Weiteres ersichtlich bei Straftaten, die gerade mittels Telekommunikation, aber oftmals unter Nutzung der Anonymität im Internet begangenen werden (wie z B die Verbreitung von Kinderpronographie oder Computerstraftaten). Aber auch ansonsten sind Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten oftmals unverzichtbar, wenn es etwa darum geht, Betiligte und Strukturen bei Organisierter Kriminalität oder Terrorismus zu ermitteln.
Dies wird jedoch zunehmend dadurch vereitelt, dass die Telekommunikationsunternehmen die entsprechenden Daten aufgrund der Verbreitung von Pauschaltarifen nicht mehr zu Abrechnungszwecken benötigen und deshalb nicht mehr speichern dürfen. Hier setzt die so genannte "Vorratsdatenspeicherung" von Telekommunikationsdaten an, die sich mit einer Speicherungsfrist von sechs Monaten zudem deutlich von der für Flugpassagierdeaten vorgeschlagenen Speicherungsfrist von 13 Jahren unterscheidet.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries