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Frage von Robert R. •

Frage an Brigitte Zypries von Robert R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Frau Ministerin Zypries,

meine Frage betrifft die Strafzumessung nach §130 StGB und die Beschneidung der öffentlichen Meinungsfreiheit.
Eine wesentliche Säule des Rechtssystems ist die Verhältnismäßigkeit der Strafe. Kürzlich wurde wiederum von einem deutschen Gericht eine Angeklagte, Frau Sylvia Stolz, wegen “Volksverhetzung” zu dreieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt (Deutsche Welle, 14.1.08)
Nach einer Aufstellung in „Was der Verfassungsschutz verschweig. Knütter und Schüßlburner (2007) betrug die Zahl der Strafverfahren aufgrund §§ 86, 86a StGB und/oder §130 StGB, von 1993 – 2005 insgesamt 117.646. Das einzige “Verbrechen” dieser Angeklagten war, öffentlich ihre Überzeugungen geäußert zu haben.
Zum Vergleich ein Beispiel: der BGH (AZ 1 StR 167/07, v. 20.6.2007) bestätigte ein Urteil des LG Mannheim, das einen Angeklagten wegen Vergewaltigung in 5 Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt hatte.
Vergleicht man die drakonischen Strafen für “Meinungsdelikte” mit den relativ milden Strafen für Gewaltdelikte, dann muß sich die deutsche Justiz die Frage gefallen lassen, ob die Verhältnismäßigkeit der Strafe bei Verurteilungen nach §130 StGB beachtet wird oder ob es sich nicht um eine Art „Auftragsjustiz“ handelt.
Was den in Widerspruch zum §19 der UN-Menschenrechts-Charta stehenden und umstrittenen §130 StGB selbst angeht, so bitte ich ohne formalen Bezug auf die geltende Rechtslage um Aufklärung, wie Sie diesen als „Maulkorb-Paragraphen“ bekannten Artikel mit dem historischen Anspruch der Sozialdemokratie, “niemals Menschen wegen ihrer Gesinnung verfolgt zu haben”, und mit einem angeblich demokratischen Rechtsstaat vereinbaren können, der als eines seiner obersten Rechtsgüter das Recht auf straffreie öffentliche Meinungsäußerung kennt.

Robert Roozen, Dr. rer. nat.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Roozen,

die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Eine Einflussnahme von irgendeiner Seite findet nicht statt und wäre auch von Verfassungs wegen untersagt (Art. 97 Abs. 1 GG).

Rassistische, menschenverachtende und die nationalsozialistische Herrschaft glorifizierende bzw. deren Verbrechen leugnende oder verharmlosende Äußerungen sind in Deutschland völlig zu Recht strafbar und im Übrigen auch nicht durch Art. 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gedeckt, da dieses Recht durch Art. 30 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte entsprechend eingeschränkt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries