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Frage von Stefan R. •

Frage an Brigitte Zypries von Stefan R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

Sie und auch andere Befürworter der Novelle werden nicht müde zu betonen, dass nur bei schweren Straftaten und dann mit richterlicher Erlaubnis ein Zugriff auf die Verkehrsdaten gewährt wird.
Dies wurde auf der Sitzung im Deutschen Bundestag am 09.11.2007 auch noch einmal betont.

Daher bitte ich um Stellungnahme zu folgenden Fragen:
1. Es wird immer nur vom § 100a StPO gesprochen.
Wie ist § 100g StPO zu verstehen?
Sind dies also auch schwere Straftaten und nicht wie im Gesetz geschrieben "erhebliche"?
Ein Beispiel: § 100g StPO (1).2 spricht von einem Täter der "eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat", also z.B. StGB § 185 Beleidigung.

2. Nach TKG § 113b Abs.2 u. 3 soll Zugang zu diesen Verkehrsdaten
"2. zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder
3. zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes"
gewährt werden.
Benötigen diese staatlichen Organe ebenfalls einen richterlichen Beschluß?

3. Sind sie auch der Meinung, wie Herr Kauder, das Kritiker dieses Gesetzes "zündeln"?

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Rainer

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Sehr geehrter Herr Rainer,

Sie nehmen mit Ihren Fragen offenkundig Bezug auf das am 9. November 2007 im Deutschen Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedete und am 1. Januar 2008 in Kraft getretene "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG". Ihre Fragen hierzu will ich gerne beantworten:

1. Nach dem durch das vorgenannte Gesetz neu gefassten § 100g der Strafprozessordnung (StPO) dürfen die Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses Telekommunikationsverkehrsdaten erheben, wenn diese für die Aufklärung

(1.) einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder
(2.) einer mittels Telekommunikation begangenen Straftat erforderlich ist.

Anders als bei einer inhaltlichen Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO muss es sich also bei der Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch die Strafverfolgungsbehörden nicht stets um eine schwere Straftat handeln. Dies habe ich in der Debatte auch nicht anders dargestellt, sondern, wie Sie im Plenarprotokoll nachlesen können, ausdrücklich von erheblichen Straftaten gesprochen. Straftaten von erheblicher Bedeutung sind nach der auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Rechtsprechung solche, die mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzurechnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, die Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.

Die weitere Alternative einer mittels Telekommunikation begangenen Straftat kann - in Ausnahmefällen - auch die von Ihnen bespielhaft genannte Beleidigung sein, aber z. B. auch eine mittels Telefon oder E-Mail erfolgte Bedrohung oder eine mittels Internet begangene Computerstraftat. Soweit es sich hierbei nicht zugleich um Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt, setzt die Erhebung von Verkehrsdaten nach der Neuregelung - anders als nach bisherigem Recht - zusätzlich voraus, dass die Aufklärung der mittels Telekommunikation begangenen Straftat ohne Rückgriff auf die Verkehrsdaten aussichtslos wäre und die Erhebung zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.

2. Sie haben die Regelung in § 113b Satz 1 Nr. 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nicht ganz vollständig zitiert. Nach § 113b TKG dürfen die Telekommunikationsunternehmen die nach § 113a TKG gespeicherten "Vorratsdaten" nur übermitteln, "soweit dies in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf § 113a vorgesehen und die Übermittlung im Einzelfall angeordnet ist". Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung existiert bislang nur in Form des § 100g StPO - also für die Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden, nicht aber für die Übermittlung an Gefahrenabwehr- oder Verfassungsschutzbehörden. Diese dürfen daher nach geltendem Recht weder ohne noch mit einem gerichtlichen Beschluss auf die nach § 113a TKG zu speichernden Daten zugreifen.

3. Wenn, wie das vielfach geschehen ist, in der öffentlichen Diskussion gegen die Neuregelungen unzutreffende Einwände vorgebracht werden, die geeignet sind, zu Unrecht die Sorge vor einem "Überwachungsstaat" zu schüren und das Vertrauen in staatliches Handeln zu untergraben, dann kritisiert Herr Kauder das zu Recht.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries