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Frage von Gregor J. •

Frage an Brigitte Zypries von Gregor J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

mit Erschrecken habe ich den öffentlichen Medien entnommen (Sendung Plusminus in der ARD vom 20.11.2007), dass durch eine gesetzliche Lücke aktuell missbräuchliche Verwertungen von Grundschulden (nach Darlehensverkauf an Finanzinvestoren) möglich sind und stattfinden (s. hierzu auch die aktuelle Petition).

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Ihr persönliches Engagement, um die akute Bedrohung zahlreicher Immobilienbesitzer (auch solcher mit untadeliger Kreditbedienung) durch Zwangsvollstreckung abzuwenden und stelle diese Fragen:
- Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen bzw. haben Sie persönlich ergriffen, um diese für viele Grundeigentümer in Ihrem Wahlkreis gefährliche und eventuell existenzgefährdende Rechtssituation zu bekämpfen?
- Welche gesetzgeberischen Aktivitäten werden durch Ihre Fraktion unternommen bzw. sind kurzfristig konkret vorgesehen?

Mit freundlichen Grüßen,
Gregor Jahn

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jahn,

ich kann gut verstehen, dass Sie über die Medienberichterstattung zum Verkauf von Krediten beunruhigt sind. Der dadurch erweckte Eindruck der Erwerber einer Grundschuld könne unabhängig von Existenz und Höhe der zugrunde liegenden Forderung in das gesicherte Immobilienvermögen in Höhe des Grundschuldbetrages vollstrecken, ist allerdings nicht richtig. Bei Krediten, die korrekt bedient werden, besteht auf der Grundlage des geltenden Rechts kein Anlass zur Besorgnis. Eine immer wieder behauptete Gesetzeslücke besteht in Wirklichkeit nicht. Nach dem geltenden Recht hat sich der Erwerber einer Grundschuld die Einreden aus dem Sicherungsvertrag grundsätzlich entgegenzuhalten lassen (§§ 1192, 1157, 892 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ). Die Bindung des Erwerbers an die Vereinbarungen aus dem Sicherungsvertrag tritt kraft Gesetzes ein, d.h. unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer, die veräußernde Bank und der Erwerber der Grundschuld dies vereinbaren.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Grundschuld und Schuldanerkenntnis sind grundsätzlich unabhängig von einer zu sichernden Forderung. Sie sind allerdings in dem Darlehensvertrag durch die mit dem Kreditgeber vereinbarte Sicherungsabrede verknüpft. Der Sicherungsvertrag schützt den Kreditnehmer vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme durch den Gläubiger. Unter anderem wird in den Kreditverträgen vereinbart, dass der Schuldner aus den Sicherheiten nur dann in Anspruch genommen werden darf, wenn das gesicherte Darlehen nicht ordnungsgemäß bedient wird. Werden Grundschuld und/oder Schuldanerkenntnis an einen Dritten abgetreten, dann trifft den Gläubiger die Verpflichtung, die ihm durch den Sicherungsvertrag auferlegten Beschränkungen an den Erwerber weiterzugeben. Tut der bisherige Gläubiger das nicht, dann macht er sich gegenüber dem Schuldner schadensersatzpflichtig. Das ist auch Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 25. September 1996, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 461). In der Praxis achten Kreditinstitute, die Forderungen abtreten, sehr genau darauf, dass sich der Käufer einer Kreditforderung dazu verpflichtet, die Verpflichtungen aus der Sicherungsabrede einzuhalten.

Selbst wenn entgegen der gängigen Praxis und trotz Schadensersatzpflicht der veräußernden Bank bei einer Abtretung der Sicherheiten nicht vereinbart wird, dass der Erwerber die Pflichten aus dem Sicherungsvertrag übernimmt, ist der Kreditnehmer kraft Gesetzes regelmäßig gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme geschützt. Das würde nur dann nicht gelten, wenn ein Erwerber die Grundschuld gutgläubig einredefrei erwirbt. Der gute Glaube ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Erwerber den Sicherungszweck der Grundschuld und die Höhe der gesicherten Forderung kennt. Dieser Fall ist aber in der Praxis der Kreditverkäufe auszuschließen. Der Erwerber von Kreditforderungen stellt vor dem Erwerb die Existenz und die Höhe der betroffenen Darlehensforderungen genau fest. Ihm sind daher stets die genaue Höhe der Darlehensforderung und der Inhalt der Sicherungsabrede bekannt.

Demgemäß sind uns bislang auch keine Fälle bekannt geworden, in denen von einem Kreditinstitut eine Grundschuld gutgläubig einredefrei erworben wurde.

Natürlich kann das Recht nicht verhindern, dass jemand sich rechtswidrig verhält und einen anderen zu Unrecht in Anspruch nimmt. Das ist aber keine Lücke des geltenden Rechts und auch kein spezielles Problem bei der Veräußerung von Darlehensforderungen. In diesen Fällen bleibt den Betroffenen nur die Möglichkeit, sich mit Hilfe der Gerichte dagegen zu wehren. Vollstreckt also ein Erwerber aus einer Grundschuld oder aus einem Schuldanerkenntnis, obwohl die Darlehensforderung nicht besteht oder nicht fällig ist, dann ist die Vollstreckung regelmäßig rechtswidrig. Der Schuldner ist in einem solchen Fall gezwungen, die Zwangsvollstreckung durch eine Zwangsvollstreckungsgegenklage für unzulässig erklären zu lassen. Zusätzlich kann er Schadensersatz fordern.

Unabhängig davon hat die Bundesregierung die zunehmende Praxis von Banken, Forderungen aus Kreditverträgen zu veräußern, zum Anlass genommen, zu überprüfen, ob und inwieweit der bestehende gesetzliche Rahmen für den Kreditverkauf den Interessen der Beteiligten noch gerecht wird. Über Einzelheiten können sie sich auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz www.bmj.de informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries