Frage an Brigitte Zypries von Sigrun M. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
durch Ihre Unterhaltsreform ist es dazu gekommen, dass verheiratete Männer sich jetzt ebenso wie vormals unverheiratete Männer ihren Verpflichtungen gegenüber erstgeborenen Kindern entziehen können sobald mit der neuen Partnerin neue Kinder gezeugt werden. Die Versorgung der ersten Kinder bleibt damit also bei der ersten Frau hängen, denn die neue Frau hat ja naturbedingt die kleineren Kinder und kann unmöglich zur Arbeit angehalten werden.
Welchen Sinn, außer einem religiösem, hat denn jetzt noch eine Heirat? Die Versorgungslast hängt komplett an der Erstfrau, selbst wenn sie ein neues Kind bekommt, ist sie für die "Altlasten" zuständig. Das bedeutet auch, dass ein neuer Partner sich darüber im Klaren sein muss, dass er ganz alleine für die Kinder des Vorgängers wird aufkommen müssen, sollte er mit der Frau eine eigene Familie planen.
Damit sind Frauen mit Kindern bei der Trennung massiv benachteiligt, denn der Mann kann unbelastet in eine neue Familie gehen, die Frau wird unter diesen Voraussetzungen keinen mehr kriegen, sie hat eh keine Zeit mehr dazu, denn sie muss ja den Unterhalt für sich und ihre Kinder erwirtschaften, egal ob sie eine Arbeit hat oder die Kinderbetreuung bewerkstelligt ist.
Im Zeitalter von sinkenden Geburtenraten eine mutige Sache, denn es werden sich immer weniger Frauen finden, die bereit sind, für Kinder die alleinige finanzielle und erzieherische Verantwortung zu übernehmen.
Ist außer Hartz IV für Erstfrauen mit Kindern noch eine andere Förderung geplant, damit sie aus der Ehe nicht auf der Gosse landen, kaum dass der Mann eine neue Familie erwählt hat?
Sehr geehrte Frau Meier-Menzel,
das Bild, das Sie von der Unterhaltsrechtsreform zeichnen, halte ich für falsch. Es ist nicht so, dass sich ein geschiedener Mann den Verpflichtungen gegenüber seinen Kindern dadurch entziehen kann, dass er mit einer neuen Partnerin Kinder zeugt. Völlig unverändert muss jeder Unterhaltspflichtige im Interesse des Unterhalts aller seiner minderjährigen Kinder alle ihm verfügbaren Mittel gleichmäßig einsetzen. Ihm verbleibt im Zweifel nur ein Selbstbehalt von 900 Euro, der nur wenig über dem Existenzminimum liegt.
Es ist auch nicht so, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau hinter dem Betreuungsunterhaltsanspruch der neuen Partnerin zurückstehen müsste, nur weil deren Kind jünger ist. Solange wegen der Betreuung von Kindern Unterhalt geschuldet wird, werden diese Ansprüche im gleichen Rang berücksichtigt. Das ist übrigens nicht zuletzt eine Konsequenz aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass Unterhaltsansprüche, die wegen der Betreuung eines Kindes bestehen, für unverheiratete und verheiratete oder geschiedene Eltern gleich zu gestalten sind.
Auch Ihren Gedanken, die Heirat habe allenfalls noch religiösen Sinn, kann ich nicht teilen. Die Ehe steht nicht nur unter dem besonderen Schutz unserer Verfassung, sie wird auch tatsächlich an vielen Stellen unser Rechtsordnung geschützt. So stehen beispielsweise die Unterhaltsansprüche einer Ehe von langer Dauer mit den Ansprüchen wegen der Betreuung eines Kindes im gleichen Rang. Und nur Ehegatten können im Falle des Scheiterns der Ehe die Solidarität des anderen auch rechtlich einfordern - nur sie können Unterhalt zum Beispiel wegen ihres Alters, Krankheit, Erwerbslosigkeit oder zur Aufstockung verlangen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries