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Frage von Ursula N. •

Frage an Brigitte Zypries von Ursula N. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ministerin,

Fassungslosigkeit empfinden in diesen Tagen viele Menschen angesichts des Todes der fünfjährigen Lea.

Meine Frage lautet, ob hier der Gesetzgeber nicht zu lasch handelt?

Ist es nicht Mord, wenn jemand ein Kind verhungern und verdursten lässt? Steht hier nicht eine Tötungsabsicht im Raum, denn sogar Menschen aus bildungsfernen Schichten dürften wissen, dass Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug auf längere Dauer zum Tod führt.

Wäre hier nicht eine Anklage wegen Mordes korrekter und vielleicht auch abschreckender gewesen? Darf man in solchen Fällen, in denen ein hilfloses Kind der Nachlässigkeit der Eltern ausgesetzt ist, noch Verständnis walten lassen?

Ich bin geneigt Sie zu bitten, dass der Richter, welches Urteil er auch spricht, im Namen des Volkes, ausgenommen Frau Ursula Nurkowski, zu sprechen. Ein Urteil wegen Totschlages mag im Namen des Volkes, jedoch nicht in meinem ergehen.

Ihrer Nachricht sehe ich gerne und mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Ursula Nurkowski

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Nurkowski,

das Gesetz, das die Strafverfolgungsbehörden in einem solchen Fall anwenden, ist das Strafgesetzbuch. Bei der vorsätzlichen Tötung eines Menschen kommen grundsätzlich zwei Straftatbestände in Betracht - Mord oder Totschlag. Oftmals stellt man fest, dass in der Bevölkerung Unklarheit darüber herrscht, wie sich diese beiden Delikte unterscheiden. Viele Menschen nehmen an, Mord sei eine absichtliche, Totschlag eine unabsichtliche Tötung. Das ist jedoch falsch. In beiden Fällen muss der Täter vorsätzlich handeln. Ein Mord im Sinne des Strafgesetzbuches unterscheidet sich vom Totschlag dadurch, dass zusätzlich zur Tötung eines Menschen ein sogenanntes Mordmerkmal verwirklicht wurde. Die in Betracht kommenden Merkmale sind im Gesetz aufgezählt. Demnach liegt ein Mord dann vor, wenn der Täter * aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier oder aus niedrigen Beweggründen, * heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder * um eine andere Straftat zu verdecken oder zu ermöglichen, gehandelt hat.

Der Totschlag wird mit Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen des Totschlags kann eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Mord wird stets mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

Die Feststellung, ob bei einer konkreten Tat ein Mordmerkmal vorlag, kann letztlich nur das zuständige Gericht treffen. Nur das Gericht und die übrigen unmittelbar am Verfahren Beteiligten kennen alle relevanten Faktoren. Die Presseberichterstattung ist gerade in Aufsehen erregenden Tötungsfällen keineswegs immer verlässlich und bietet oftmals nur lückenhafte Informationen. Sie könne sich jedoch sicher sein, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften ihrer Aufgabe, Straftaten zu verfolgen und gerecht zu bestrafen, mit großer Sorgfalt nachkommen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries