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Frage von Gerhard A. M. •

Frage an Brigitte Zypries von Gerhard A. M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

der SPIEGEL (Heft 46) zitiert Prof. Dieter Schwab zum neuen Unterhaltsrecht mit den Worten "Was aus dem neuen Recht wird, müssen erst noch die Gerichte entscheiden." Das ist keineswegs die Rabulistik eines Justizkritikers, sondern die "normale" Erwartung eines renommierten Familienrechtlers.
Meine 1. Frage: Müssen die Bürger dieses Landes sich eigentlich dauerhaft damit abfinden, dass die verfassungsgemäße Gewaltenteilung aufgehoben ist und aufgehoben bleibt und dass Richter entscheiden, was der Gesetzgeber mit einem Gesetz "gemeint" hat?

Der gleiche Prof. Schwab hat in der Anhörung zum neuen Unterhaltsrecht am 16.10.2006 darauf hin gewiesen, dass eine Befristung des Unterhalts bereits seit 1986 möglich ist - nur dass die Gerichte eben nicht befristet haben. Weiterhin rügt Prof. Schwab, dass das neue Unterhaltsrecht (wie das bisherige) von unbestimmten Begriffen und "Billigkeiten" nur so wimmelt.
Ihr Haus hat in der Begründung für das neue Unterhaltsrecht (BT-D 16/1830, S. 13) zum Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe festgestellt: "Die Rechtsprechung war hier bislang sehr zurückhaltend." Ich füge hinzu: Es ist dem BGH in seiner Rolle als "Hilfs-Gesetzgeber" seit der Eherechtsreform von 1977 (= 30 Jahre!) nicht gelungen, die "Zerrüttung" und die "ehelichen Lebensverhältnisse" juristisch sauber zu definieren!
Daraus folgt meine 2. Frage: Wie viele Jahre willkürlicher Rechtsprechung müssen wir wohl über uns ergehen lassen, bis das "neue Unterhaltsrecht" eine "Verfestigung" durch die den BGH erfährt?

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Gerhard Müller-Broll

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Broll,

es liegt gerade im System der Gewaltenteilung, dass die Gerichte die Gesetze im Einzelfall anwenden. Daher sind es seit jeher die Gerichte, die die Gesetze im Alltag konkretisieren und mit Leben erfüllen. Selbstverständlich sind die Gerichte dabei an die Gesetze gebunden. Bei der Anwendung der Gesetze sind aber neben tatsächlichen Feststellungen vielfach komplexe Wertungen notwendig, die das Gesetz vorsieht. Das dient der Einzelfallgerechtigkeit, auf die das Unterhaltsrecht wegen der vielfältig unterschiedlichen Lebensverhältnisse besonders angewiesen ist. Auf diese Weise kann den Besonderheiten des persönlichen Falles angemessen Rechnung getragen werden kann.

Selbstverständlich benötigt die Rechtsprechung bei der Anwendung neuer Gesetze eine gewisse Zeit, bis sich zu dem einen oder anderen Aspekt eine gefestigte Rechtsprechung herausbildet. Von einer über Jahre drohenden willkürlichen Rechtsprechung kann aber keine Rede sein.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries