Frage an Brigitte Zypries von Joachim P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Justizministerin Brigitte Zypries,
in der heutigen Sendung Frontal 21/ZDF wurde behauptet, Sie wollten aus der Not unserer bundesdeutschen Gerichte, angesichts von Lawinen zugelassener Hauptverfahren bei gleichzeitig unzureichender personeller Ausstattung, eine gesetzliche Tugend machen, die allen Verfahrensbeteiligten, Richtern, Staatsanwälten, Angeklagten nachhaltig verpflichtend Deals nahe legt, ohne die Rechte von Geschädigten, von Nebenklägern zu stützen, geschweige denn zu stärken? Ist diese Behauptung richtig? Wenn ja, wie wollen Sie dann eine kriminologisch fundierte Ursachenforschung mit belastbaren Daten und rechtspolitischer Relevanz, betreiben?, wenn die Prozesse an unseren Gerichten in gesetzlich empfohlenen Deals, statt Fakten, Fiktionen liefernd, in Nebelbänken, in verwunschenen "Burgen" , "Festungen", "Schlössern", in Grüften voller vergrabener Lügengespinsten wie ungehobener Wahrheiten heillos versinken? Das kann doch wohl nicht wahr sein? Oder geht es Ihnen gerade bei diesem gesetzlich empfohlenen Vorzug des Deals bei Gericht um den Aufbau einer gerichtlich neuen Säule, den Verfahren der Nebenjklage?, Forderungen nach Entschädigungen direkt in der Hauptverhandlung erörternd ins Recht zu setzen. um die zivile Klageflut infolge der bisherigen Praxis von Urteilsfindungen über Deals einzudämmen? Vermutlich wäre der von mir befürchtete Mangel an Wahrheit., Klarheit der Datenerhebung durch gerichtliche Deals trotzdem nicht behoben? Was meinen Sie dazu? Danke!
Mit freundlichem Gruß
Joachim Petrick
Sehr geehrter Herr Petrick,
ich halte es für eine wichtige Aufgabe, das, was gemeinhin unter der - unzutreffenden - Beschreibung "Deal" verstanden wird, gesetzlich zu regeln. Worum geht es wirklich?
Gericht, Staatsanwaltschaft, Angeklagter und Verteidigung versuchen, Einvernehmen über die Verfahrensbeendigung herzustellen; dabei müssen sie alle Regeln einhalten, die für den Strafprozess, die Wahrheitsfindung und eine schuldangemessene Strafe von jeher gesetzlich verpflichtend sind. "Deals", Absprachen oder Verständigungen sind seit mehr als 20 Jahren Realität in deutschen Gerichtssälen. Gründe der Arbeitserleichterung werden sicherlich eine Rolle spielen, eine dem Recht entsprechende einvernehmliche frühzeitige Verfahrensbeendigung kann aber auch davon abgesehen einem endlosen Streit "bis zum bitteren Ende" im Interesse aller Verfahrensbeteiligten vorzugswürdig sein. Allerdings herrscht in der Justizpraxis Rechtsunsicherheit und es kam wiederholt zu Vorgehensweisen, die der Bundesgerichtshof beanstanden musste. Mein Bestreben ist es deshalb, klare gesetzliche Regelungen aufzustellen, die eine einwandfreie und rechtsstaatlich unbedenkliche Vorgehensweise gewährleisten. Dazu dient ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz.
Die Schwerpunkte dabei sind folgende: Die Verfahrensrechte aller Beteiligten werden weiterhin gewährleistet. Ebenso bleiben die Strafzumessungsgrundsätze nach dem Strafgesetzbuch unangetastet - das heißt insbesondere: Einen "Handel mit der Gerechtigkeit" wird und kann es nicht geben. Und das Gericht bleibt natürlich weiterhin verpflichtet, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen bis sie zu seiner Überzeugung feststeht.
Eine "Verständigung" muss sich nach meinen Vorstellungen in der öffentlichen Hauptverhandlung und unter Anhörung aller Beteiligter vollziehen. Abgesichert wird dies durch vielfache Hinweis- und Protokollierungspflichten und eine vollumfängliche Nachprüfung in der Rechtsmittelinstanz. Es wird auch kein Verfahrensbeteiligter "verpflichtet", sich zu verständigen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries