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Frage von Christian M. •

Frage an Brigitte Zypries von Christian M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

wieso sprechen Sie bei Ihrer Rede zur Vorratsdatenspeicherung von:
"Die Daten umfassen Angaben darüber, mit wem ich telefoniert habe, wann ich telefoniert habe, wie lange das Gespräch gedauert hat und wie teuer es war."

Haben Sie Sich als Abgeordnete durch das Gesetz nicht Ausdrücklich selbst von der Überwachung ausgenommen?
Ist das "ich" in Ihrer Rede nicht eine Täuschung?
Und wieso verschweigen sie die höchst sensiblen Orts-Daten die bei Handy-Nutzung mitgespeichert werden?

Wieso sind eigentlich Abgeordnete von der Überwachung ausgenommen?
Wäre es etwa zur Vermeidung von Korruption nicht notwendig Abgeordnete auch zu überwachen?
Wieso wollen Sie den gläsernen Bürger und nicht - was für eine funktionierende Demokratie notwendig ist - den gläsernen Staat? Das Informationsfreiheitsgesetz ist ja noch sehr stumpf...

Außerdem schreiben Sie "[...] dass wir nicht auf dem Weg in einen Überwachungsstaat sind, sondern dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass schwerste Kriminalität, terroristische Taten und organisierte Kriminalität wirksam bekämpft werden können."

Wie passt das dazu dass der Zugriff auf diese Daten auch bei "mittels Telekommunikation" begangener Straftaten gelten soll?
Betreiben die Kinder und Jugendlichen, die sich illegal Lieder aus Tauschbörsen herunter laden "schwerste Kriminalität" oder gar "terroristische Taten"?

Zum Schluss gestatten Sie mir noch die provozierende Frage: Gehen Die davon aus, dass in Deutschland mehr als 80 Millionen potentielle Terroristen leben?
Wenn nein: Wieso wollen Sie unbescholtene Bürger überwachen? Warum kein "Quick freeze", das seine Effektivität schon bewiesen hat?

Mit freundlichen Grüßen,
C. Mayer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mayer,

ich glaube, dass Ihren Ausführungen einige Missverständnisse zugrundeliegen, die ich gerne ausräumen möchte:

1. Aufgrund der EU-Richtlinie 2006/24/EG ist Deutschland verpflichtet, die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung" in innerstaatliches Recht umzusetzen. Es geht deshalb nicht um das "Ob" sondern allein um das "Wie" der Umsetzung.

2. Die Umsetzung in Deutschland erfolgt am untersten Level: Beispielsweise sieht die EU-Richtlinie eine Speicherungsdauer zwischen 6 und 24 Monaten vor. In Deutschland wird eine Speicherungsdauer von nur 6 Monaten vorgesehen.

3. Gespeichert werden nur die im Gesetz (§ 113a des Telekommunikationsgesetzes) im Einzelnen aufgezählte Datenarten. Dazu zählt in der Tat u. a. auch die Funkzelle, in der sich ein Handy am Beginn einer Verbindung befindet.

4. Gespeichert werden die Daten unabhängig davon, wem der jeweilige Telekommunikationsanschluss gehört. Auch die Verkehrsdaten von Abgeordneten werden daher gespeichert. Wir sind also keineswegs ausgenommen.

5. Gespeichert werden die Daten ausschließlich bei den Telekommunikationsunternehmen und nicht bei einer staatlichen Stelle.

6. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen von den Telekommunikationsunternehmen Auskunft über gespeicherte Daten nur unter bestimmten - engen - Voraussetzungen verlangen. So muss die Auskunftserteilung grundsätzlich von einem Gericht angeordnet werden. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder um eine mittels Telekommunikation begangene Straftat geht. Ich halte entgegen Ihrer Auffassung auch die Alternative "mittels Telekommunikation begangene Straftaten" für richtig und wichtig. Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR

1085/05 vom 17.6.2006, Absatz-Nr. 17) hat dazu ausgeführt: "Indem der Beschuldigte die Telekommunikationsanlage zum Tatmittel seiner strafbaren Handlungen einsetzt, mindert sich sein Anspruch auf Wahrung des Schutzes der Vertraulichkeit des von ihm missbrauchten Mediums. Er muss es eher hinnehmen, dass sich die Verfolgungsbehörden des dabei entstandenen Datenmaterials bedienen ..." Dem ist nichts hinzuzufügen.

7. Zum Schluss zu Ihrer "provozierenden Frage": Natürlich leben in Deutschland nicht 80 Millionen potentielle Terroristen. Aber das von Ihnen als effektiv betrachtete "Quick freeze" (also die Erhebung von künftig anfallen Daten bei einem bestimmten Beschuldigten) funktioniert gerade dort nicht, wo es um die Aufklärung begangener Straftaten geht. Da muss man wissen, mit wem in der Vergangenheit Kontakt bestand.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries