Frage an Brigitte Zypries von Filomena C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Betreff: Aufteilung des Ausbildungsgehaltes im Sozialen Bereich
Sehr geehrte Frau Zypries,
ich bin eine Schülerin der Alice-Eleonoren-Schule in Darmstadt und befinde mich im 2.Ausbildungsjahr zur Sozialassistentin. In diesem 2. Jahr absolvieren wir ein Jahrespraktikum in einer sozialen Einrichtung (sozialpädagogisch- bzw. Sozialpflegerischer Bereich) unserer Wahl um praktische Erfahrungen zu sammeln. In den 3 Tagen, in den wir in unserer Einrichtung arbeiten, arbeiten wir 21 Stunden.
Im Unterricht Politik diskutierten wir die Fragestellung, „wie viel Lohn erhalte ich, für 84 Arbeitsstunden?“ Hier wurden uns große Unterschiede deutlich, bei gleicher Tätigkeit erhält eine Schülerin 276 €, eine andere nicht. Jetzt frage ich Sie, wie kann es sein, dass ein unterschied zwischen 276 € und 0 € möglich ist?
Wie kann es sein, dass ein ungelernter Lager Arbeiter mehr verdient, als eine Schülerin im 2. Ausbildungsjahr?
Es ist deprimierend, dies zu erleben und von Ihnen stets zu hören, dass Sie Bildung und soziales fördern möchten. Wen dem wirklich so ist, tun Sie das bitte und ändern Sie etwas an diesen unmöglichen umständen. Denn somit werden Sie Ihren Wählern zeigen, dass Sie Ihre gut überdachte vorhaben, die Bildung zu fördern, auch realisieren können.
Mit freundlichen Grüßen
Filomena C.
Sehr geehrte Frau Cirillo,
Ihren Unmut über die von Ihnen beschriebene Situation kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Aushandlung von tariflichen Löhnen ist in Deutschland eine Angelegenheit von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften), die Tarifverträge aushandeln, in denen Löhne, Arbeitszeit und andere Arbeitsbedingungen festgelegt werden.
Leider nimmt in der letzten Zahl die Anzahl der Beschäftigten in Betrieben zu, die nicht an einen Tarifvertrag gebunden sind. Die SPD fordert deshalb seit langem die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde. Ein solcher Mindestlohn würde sicherstellen, dass alle Beschäftigten, die Vollzeit arbeiten, von ihrem Lohn auch leben können. Löhne, wie die von Ihnen beschriebenen, würden dann unmöglich sein.
Einen Gesetzentwurf zur Einführung eines solchen Mindestlohns hat der Minister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering (SPD), vorgestellt. Leider haben sich die Unionsfraktionen einem solchen Mindestlohn verweigert, sodass der Mindestlohn in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht eingeführt werden kann. Der Mindestlohn ist für die SPD aber damit nicht vom Tisch. Wir werden weiter für seine Einführung kämpfen und hoffen, ihn spätestens in der nächsten Legislaturperiode einführen zu können.
Für das von Ihnen angesprochene Praktikum gilt aber noch etwas anderes: Ausbildungsbegleitende Praktika werden in der Regel nicht bezahlt. Wenn eine Bezahlung erfolgt, geschieht dies meist freiwillig durch den Arbeitgeber. Hintergrund ist, dass Praktika als Teil der Ausbildung gelten und dementsprechend vor allem auch der/die Praktikant/-in von der Tätigkeit profitiert. Allerdings kann der/die Praktikant/-in dafür auch erwarten, dass er/sie angemessen ausgebildet wird, das heißt, dass er nicht als "normale Arbeitskraft" ausgebeutet werden darf.
Richtlinien für gute Praktika und Tipps, was Sie tun können, wenn dagegen verstoßen wird, finden Sie unter http://www.dgb-jugend.de/studium/praktika
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries