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Frage von Jörg R. •

Frage an Brigitte Zypries von Jörg R. bezüglich Recht

Verehrte Frau Justizministerin,

Sie führen mit konstanter Regelmäßigkeit aus, daß wir in der BRD "unabhängige Gerichtsbarkeiten" und eine funktionierende "Teilung der Gewalten" besitzen. Selbst krasseste Skandalurteile, wie das aktuelle Urteil gegen Ihren SPD-Genossen Hans-Jürgen Uhl, der wegen Sexpartys auf Firmenkosten-, Beihilfe zur Untreue in 2 Fällen und Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung in 7 Fällen zu sensationellen 39.200 Euro "Strafe" verurteilt wurde, nehmen Sie zum Anlaß, mit den Achseln zu zucken.

Rechtsprofessoren schlagen die Hände über den Köpfen zusammen, wenn das Urteil über den Verbrecher Peter Hartz "im Namen des Volkes" verkündet wird; aber Sie sagen: "Wir haben großartige Richter."

Wie bewerten Sie die Tatsache, daß alleine 143 Bundestagsabgeordnete ihrer Berufsgruppe der Juristen (Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte) angehören?
Es ist doch eine Tatsache, daß unsere Gerichte politisch besetzt werden. Wie viele heutige Bundestagsabgeordnete kommen von den Gerichten (bis hin zum BVerfG)? - Wie viele Bundestagsabgeordnete werden nahtlos politisch an unsere Obergerichte-, an das BVerfG und an den EGMR berufen?

Wie können Sie da von einer "Gewaltenteilung" sprechen?

Genau wie bei unseren großen Gewerkschaften, die von Berufspolitikern geführt werden, wurde auch in der Gerichtsbarkeit ein Polit-Lobbyismus herangebildet, der jede Gewaltenteilung zur Farce verkommen läßt. Politiker als Richter-; Richter als Berufspolitiker lassen das Wort "Befangenheit" als Unwort des Jahres erscheinen.

Es wäre m.E. Ihre Aufgabe, diese politische Infiltrierung mit entspr. Rahmenbedingungen völlig zu unterbinden.

Oder sind Sie im Anschluß an Ihr BT-Mandat und Ihr politisches Amt gar als Richterin beim BVerfG oder beim EGMR vorgesehen, wie Ihre Vorgänger?

Was sollen Juraprofessoren an Universitäten heute lehren? Die Theorie nach GG? Oder die politische Realität?

In einem Rechtsstaat hätte Peter Hartz sich niemals freigkaufen dürfen!

Hochachtungsvoll

Jörg Ross

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ross,

Ihre Kritik an dem deutschen Gerichtssystem und Ihr Infragestellen der Gewaltenteilung kann ich nicht nachvollziehen. Sowohl Hans-Jürgen Uhl als auch Peter Hartz sind von den jeweiligen Gerichten verurteilt worden. Ob die konkrete Strafe tat- und schuldangemessen ist, kann ich aus der Entfernung nicht beurteilen. Fest steht jedoch, dass beide zu nicht unerheblichen Strafen verurteilt wurden und beide jetzt als "vorbestraft" gelten. Hans-Jürgen Uhl wurde zu einer Geldstrafe von 280 Tagessätzen à 140 € (insgesamt fast 40.000 €), Peter Hartz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es gibt viele Faktoren, die bei der Strafzumessung eine Rolle spielen. Ob jemand prominent ist oder nicht aber keinesfalls. Vor Gericht ist jeder gleich.

Die Formel "Im Namen des Volkes" beruht auf dem demokratischen Prinzip der Volkssouveränität, das in Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes so ausgedrückt wird:
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke ... durch besondere Organe ... der Rechtsprechung ausgeübt." Dieser verfassungsrechtlichen Lage entspricht die Urteilsformel. Es handelt sich um eine Formel, die darauf hinweist, dass das Verfassungsrecht die Ausübung staatlicher Gewalt und damit auch die Rechtsprechung durch staatliche Gerichte auf das Volk zurückführt. Dies bedeutet nicht, dass jedes einzelne Mitglied des Volkes inhaltlich mit dem Urteil einverstanden sein muss.

Es ist auch nicht richtig, dass die Gerichte politisch besetzt werden (eine Ausnahme mag hier mit Abstrichen für das Bundesverfassungsgericht gelten). Auswahlkriterium bei der Ernennung eines Richters ist ausschließlich seine Befähigung und nicht sein Parteibuch. Mir ist kein Fall bekannt, indem ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter nach Ende seiner Mitgliedschaft im deutschen Bundestag "auf einmal" Richter wurde. Hierbei verkennen Sie auch die Praxis. Die Entscheidung, ob man Richter wird, fällt bei Juristen zumeist sehr früh nach Ende der Ausbildung. Ein späterer Wechsel in das Richteramt ist sehr selten. Es mag Fälle gegeben haben, in denen Richter, die "zwischendurch" einmal Bundestagsabgeordnete waren, später wieder in ihren Beruf zurückkehrten und dann später auch befördert wurden. Dies dürfte dann jedoch laufbahnrechtliche und qualitative, keinesfalls jedoch politische Gründe gehabt haben.

Im Übrigen habe ich keine Zweifel, dass die Bundesrepublik ein funktionierender Rechtsstaat ist. Die Verwaltungsbehörden unseres Landes halten sich an die geltenden Gesetze und die Gerichte sind nach unserer Verfassung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ich habe weiterhin vollstes Vertrauen in die deutschen Richter. Auch an der Gewaltenteilung habe ich keine Zweifel.

Eine Tätigkeit beim Bundesverfassungsgericht unmittelbar im Anschluss an meine politischen Ämter könnte ich mir nicht vorstellen. Richterin am Bundesverfassungsgericht zu werden, wäre zweifelsohne eine große Ehre für mich. Allerdings gilt es, mit Blick auf die herausgehobene Stellung des Bundesverfassungsgerichts jeden Anschein zu vermeiden, der das Ansehen des Gerichts beeinträchtigen könnte. Dies wäre bei einem unmittelbaren Wechsel aus der Regierungsverantwortung als Bundesjustizministerin bzw. Bundestagsabgeordnete in eine exponierte Stellung beim Bundesverfassungsgericht nicht auszuschließen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries