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Frage von Simone R. •

Frage an Brigitte Zypries von Simone R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich erlaube mir an Sie als Bundesministerin der Justiz folgende Frage: Ich betreue einen behinderten Menschen, der auf Grund eine s Vergehens vor Gericht gestellt und verurteilt wurde.

Die Revision wurde abgelehnt. Da der geistig Behinderte mit einem IQ von 67, verglichen mit einem 10-jährigen Kind, ohne Prüfung der Geschäftsfähigkeit vor Gericht gestellt wurde, beauftragte ich einen Anwalt mit der Erstellung einer Verfassungsbeschwerde. Nun das Ungeheuerliche: Dieser Anwalt versäumte die Frist zur Einreichung der Verf.beschw. Eine Einsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt. Die Verf.-beschwerde wurde zurückgewiesen auf Grund der Fristversäumnis, die einzig und allein auf das Tun dieses Anwaltes zurückzuführen ist. Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof wurde dadurch auch unmöglich.

1. Ist es das normale Rechtsgebaren in Deutschland, dass durch diese "Schlamperei" des Anwaltes jegliche Rechtsmittel nunmehr verwehrt bleiben?
2. Gibt es noch eine Möglichkeit für den Behinderten seine Rechte einzufordern?
3. Ist es das normale Rechtsgebaren in unserem Land, dass ein Anwalt, dem man vertraute und in den man die ganze Hoffnung setzte, derart "schlampern" kann, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden?
Die Anwaltskammer jedoch sah mit dieser Fristversäumnis keine Pflichtverletzung. Die Konsequenzen für den Anwalt: keine

Ihre Antwort ist mir für diesen Menschen von großer Bedeutung. Ich bedanke mich für Ihre Antwort, die ich mit großem Interesse erwarte.

Simone Roedel

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Rödel,

ich möchte Ihnen zuerst für Ihr großes Engagement bei der Betreuung behinderter Menschen danken. Ich kann auch nachvollziehen, dass Sie über den Ablauf des Verfahrens und die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde enttäuscht sind.

In der Tat kann es sein, dass Fehler eines Anwalts - etwa bei der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde - dem Antragsteller "zugerechnet" werden. Das heisst, der Antragsteller wird rechtlich so behandelt, als hätte er den Fehler selbst begangen. Eine solche Regel erscheint Ihnen sicherlich angesichts Ihrer persönlichen Erfahrung sehr hart. Bitte bedenken Sie aber, dass Gerichtsverfahren stets auch das Ziel haben, Rechtssicherheit zu erreichen. Dazu gehört, dass nach Ablauf bestimmter Fristen eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig ist und nicht mehr angegriffen werden kann. Der Antragsteller ist in solchen Fällen auch nicht schutzlos. Denn grundsätzlich kann ein Anwalt verpflichtet sein, den Schaden, den er durch einen vorwerfbaren Fehler verursacht hat, zu ersetzen.

Ob in dem von Ihnen geschilderten Fall eine solche Regresspflicht des Anwalts besteht und ob noch weitere Rechtsbehelfe, insbesondere eine Indivdualbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, zur Verfügung stehen, kann ich schon deshalb nicht beurteilen, weil ich die genauen Umstände nicht kenne. Zudem sind solche Einzelfall-Beratungen den rechtsberatenden Berufen vorbehalten.

Ich kann Ihnen daher nur raten, sich an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu wenden und alles weitere zu besprechen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries