Frage an Brigitte Zypries von Giselher L. H. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
In der Zeitung DIE WELT / 09.06. / Seite 6 -Deutschland entnehme ich aus dem Artikel " Bundesregierung stellt sich hinter de Maizière" dass die Generalbundesanwältin Frau Monika Harms "Zitat ... wird sich vorerst nicht mit der sächsischen Affaire um organisierte Kriminalität ..... beschäftigen.... Zitatende" Der Grund soll sein, dass es ihr zweifelheaft erscheint, ob die übermittelten Erkenntnisse überhaupt einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung belegen könnten.
Entweder alle Medienberichte (Presse, Fernsehen,Rundfunk) haben maßlos übertrieben - dann fehlen mir eigentlich sofortige Anzeigen der Betroffenen gegen die Medien - oder die Angelegenheit soll nicht so hoch aufgehängt werden.
Können Sie einem Normalbürger erklären, wie diese Art von
( brutal möglichste ) Aufklärung zu verstehen ist ohne sofort auf die Unabhängigkeit der Gerichte hinzuweisen.
Danke für Ihre Bemühungen
Giselher L. Hewelt
Sehr geehrter Herr Hewelt,
die Generalbundesanwältin hat die Unterlagen, die ihr vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegt wurden, geprüft. Ergebnis der Prüfung war, dass sich daraus keine Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft zur Strafverfolgung ergibt.
Grundsätzlich ist die Strafverfolgung eine staatliche Aufgabe, die unser Grundgesetz den Bundesländern zuweist. Eine Zuständigkeit des Bundes und damit der Bundesanwaltschaft besteht nur bei Staatsschutzstrafsachen. Das sind solche, die die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße berühren. Die innere Sicherheit betreffen politisch motivierte Delikte, insbesondere terroristische Gewalttaten. Die äußere Sicherheit wird durch Landesverrat und Spionage beeinträchtigt. Die entsprechenden Delikte und ggf. die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Generalbundesanwältin für die Strafverfolgung zuständig ist, sind im Gerichtsverfassungsgesetz abschließend aufgeführt. Straftaten der allgemeinen Kriminalität reichen dafür nicht aus. Ihre Verfolgung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaften in den Ländern.
Die Bundesanwaltschaft hat daher konsequenterweise zuerst geprüft, ob sich aus den von den sächsischen Behörden übermittelten Unterlagen Anhaltspunkte für ein Strafverfahren auf dem Gebiet des Staatsschutzes ergeben. Diese Frage hat die Bundesanwaltschaft verneint und daher auch offen gelassen, ob die vorgelegten Unterlagen einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung begründen. Dies zu beurteilen, obliegt der Justiz im Land Sachsen.
Die Bundesanwaltschaft ist keine den anderen Staatsanwaltschaft übergeordnete Behörde, die überall ermitteln und Verfahren nach Belieben an sich ziehen könnte. Sie hat genaue, vom Gesetz zugewiesene Aufgaben. Allein eine besondere Bedeutung des Falles genügt nicht, um ein Verfahren zu übernehmen. Ein Rechtsstaat erweist sich auch dadurch als solcher, dass seine Behörden sich an die ihnen obliegenden Aufgaben halten und nur diese, dafür aber auch mit ganzer Kraft, erfüllen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries