Frage an Brigitte Zypries von Kerstin H. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Wie in der Earth Times ( http://www.earthtimes.org/articles/show/53850.html ) zu lesen war, soll nun innerhalb der EU durchgesetzt werden, dass Ehepaare vor der Eheschließung bestimmen können, nach welchem Recht sie sich im Falle eines Falles scheiden lassen können. Das hieße doch auch, dass bei einem aus einem islamischen Land stammenden Ehepartner die Scharia angewandt werden muss. Wie aber kann eine Staatengemeinschaft, deren Ziel es sein muss, das Recht jedes einzelnen Individuums zu schützen, eine Rechtssprechung dulden bzw. sogar anwenden, die mitnichten kompatibel mit diesem ist? Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn man die Frauenfeindlichkeit der Scharia berücksichtigt.
Und wenn man in punkto Scheidungsrecht die Tür für die Durchsetzung der Scharia auf europäischen Boden öffnet, wann geschieht das bezüglich des Familien- oder Strafrechtes?
Können Sie diese Meldung bestätigen? Sehen Sie hier Gefahr für die hier oft schwerst erkämpften Rechte, die auch für die gelten müssen, die es bevorzugen, auf dem Gebiet der EU zu leben.
Da diese Frage sehr ernst gemeint ist, bitten auch wir um eine dementsprechende Antwort
MfG
Kerstin Heimbold & Markus Vallen
GMW
Sehr geehrte Frau Heimbold, sehr geehrter Herr Vallen,
In Ihrer Anfrage sprechen Sie ein Projekt an, das ich während der deutschen EU-Präsidentschaft auf europäischer Ebene verfolge - die Verabschiedung einer europäischen Verordnung zur internationalen gerichtlichen Zuständigkeit in Ehesachen. In dieser so genannten "Rom-III-Verordnung" geht es darum, EU-weit einheitliche Regelungen über das anwendbare Recht bei Ehescheidungen mit internationalem Hintergrund zu schaffen. Ziel ist es, die Autonomie der Ehegatten zu stärken. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, für den Fall ihrer Scheidung Vereinbarungen über das zuständige Gericht und das anwendbare Recht zu treffen. Dadurch soll auch mehr Rechtssicherheit erreicht werden.
Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass deutsche Gerichte in Verfahren mit Auslandsbezug ausländisches Recht anwenden. Die Gerichte entscheiden darüber jedoch nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage rechtlicher Regelungen des so genannten "internationalen Privatrechts". Auch heute gibt es daher schon Fälle, in denen das Recht eines islamischen oder islamisch geprägten Staates in einem Verfahren vor einem deutschen Gericht anzuwenden ist.
Die Gerichte prüfen dabei stets, ob die einschlägige Vorschrift des ausländischen Rechts, etwa der "Scharia", mit dem deutschen "ordre public" vereinbar ist, d.h. mit den grundlegenden Wertvorstellungen des deutschen Rechts. Wenn dem nicht so ist, darf das Gericht das ausländische Recht in diesem Fall nicht anwenden. Auch der Vorschlag zur Rom-III-Verordnung enthält einen solchen "ordre public"-Vorbehalt. Für die Befürchtung, dass durch den ROM III-Verordnungsvorschlag in Deutschland die "Scharia" Einzug hält, besteht daher kein Anlaß.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries