Frage an Brigitte Zypries von Ludwig N. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Zypries,
in Ihrer Antwort vom 14.09.2012 auf eine Frage von H. Lein schreiben Sie: "beschränkt sich auf die Vorhautbeschneidung aus religiösen Gründen bei Jungen". Im jetzigen Gesetzesentwurf steht nicht mehr, dass eine Beschneidung aus "religiösen Gründen" möglich sein soll. Danach ist eine Beschneidung unabhängig von einem bestimmten Grund möglich, sofern Eltern dies wünschen und ihre Einwilligung geben, also auch über religiöse Gründe hinaus. Es geht also nicht mehr um das Recht der Religionsfreiheit. Damit gewinnt die Frage von H. Lein nach der Gleichbehandlung von Jungen und Mädchen (bei einer Teilbeschneidung) erheblich an Bedeutung, weil ja für den Wunsch von Eltern kein Nachweis einer religiösen Bedeutung notwendig ist. Widerspricht das nicht dem Diskriminierungsverbot? Warum ist in den ersten sechs Monaten eine Ausnahmeregelung gegeben, wer die Beschneidung wie durchführen darf. Ist das ein Zugeständnis an den Zentralrat der Juden oder gibt es einen anderen Grund. Werden Sie im Bundestag diesem Gesetzentwurf zustimmen?
Sehr geehrter Herr Niederberger,
die Beschneidung trifft im Judentum einen Kernbereich des religiösen Selbstverständnisses. Es geht also selbstverständlich weiterhin um die Religionsfreiheit. Was Sie ansprechen ist eine Ungenauigkeit in der Debatte, die zu einem Missverständnis führen kann. Die Zulässigkeit der Beschneidung wird mit der Religionsfreiheit begründet – nicht durch Religiosität bewiesen. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, und Glaube ist nichts Nachweisbares.
Ich möchte Ihnen zu diesem Aspekt den lesenswerten Artikel „Menschenrecht, kein Sonderrecht“ von Prof. Dr. Heiner Bielefeldt (Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik) empfehlen. Sie finden ihn hier: http://blogs.fau.de/news/files/2012/09/Bielefeldt_Menschenrecht_kein_Sonderrecht.pdf
Die Koalitionsfraktionen haben die Einbringung des Regierungsentwurfs zur Regelung der Beschneidung von Jungen für November vorgesehen. Der Entwurf wird dann im parlamentarischen Verfahren ausführlich geprüft und beraten werden. Die Anhörung des Rechtsausschusses soll voraussichtlich am 26. November stattfinden.
Ich persönlich halte die vorgelegte Lösung prinzipiell für einen gangbaren Weg. Über Details der Ausgestaltung wird nun diskutiert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Abstimmung für ihre Abgeordneten übrigens freigegeben. Das heißt, es wird keine Festlegung der Fraktion geben.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries