Frage an Brigitte Zypries von Alexander S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Zypries,
laut Informationen der Zeitschrift "Chip" wurde der $44 des Melderechtsrahmengesetzes (MMRG) am 29.6. wie folgt vom Bundestag geändert:
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"Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, [...] wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden."
Der letzte Satz hat eine gewaltige Tragweite: Jede Firma, die jemals irgendwelche Daten von Ihnen erfasst hat, kann diese Daten künftig vom Einwohnermeldeamt berichtigen oder bestätigen lassen. Sie haben bei einer Befragung, einem Gewinnspiel oder sonst wo nur Name und Ort angegeben? Das Einwohnermeldeamt liefert dem Unternehmen dazu bereitwillig frühere Namen (beispielsweise bei Heirat), gegebenenfalls Doktorgrad, Ordensname oder Künstlername, Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat, dann das Geschlecht, die Konfession, selbstverständlich alle aktuellen Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte Anschrift im Inland, bei Wegzug in das Ausland auch die Anschrift im Ausland und den Staat, Einzugsdatum und Auszugsdatum, Familienstand, zusätzlich bei Verheirateten Datum, Ort und Staat der Eheschließung sowie die Zahl der minderjährigen Kinder. Und als Sahnehäubchen oben drauf auch noch alle bisherigen Anschriften.
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Entspricht dies den Tatsachen? Wenn ja, wie haben Sie gestimmt? Gab es zum MMRG überhaupt eine Debatte? Ich halte diese Änderung des MMRG ohne Not für einen Eingriff in mein Recht auf Informationelle Selbstbestimmmung und bin strikt dagegen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Schwaßmann
Sehr geehrter Herr Schwaßmann,
der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Meldewesens ist schon im letzten November vorgelegt worden und war ursprünglich einmal eine gute Beratungsgrundlage. Der Datenschutz im Meldewesen sollte sogar gestärkt werden.
Die Koalition hat dann wenige Tage vor der abschließenden Beratung einen Änderungsantrag eingebracht: Der ursprüngliche Entwurf sollte so geändert werden, dass nun für Auskünfte zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels nicht mehr die Einwilligung des Betroffenen eingeholt werden sollte, sondern andersherum die Betroffenen der Nutzung ihrer Daten zu diesen Zwecken widersprechen müssten.
Im zuständigen Innenausschuss, der einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag zusammengetreten ist, hat die Opposition sich schon gegen dieses Einknicken vor der Adresshandelslobby gewehrt. Erfolglos, weil die Koalition aus CDU/CSU und FDP die Mehrheit hat und uns überstimmt und ihren Änderungsantrag durchgesetzt hat.
Die SPD hat selbstverständlich dann auch in der Sitzung des Bundestages am Donnerstag Abend gegen das Gesetz gestimmt. Aber im Bundestagsplenum herrschen dieselben Mehrheitsverhältnisse wie im Innenausschuss und wir haben die Abstimmung verloren. Es bleibt uns jetzt als Opposition nur, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen - und das werden wir auch tun.
Dass sich in den letzten Tagen immer mehr Mitglieder der Regierungskoalition von den Regelungen zum Datenschutz distanzieren, ist schon mehr als eine erstaunliche Kehrtwende - es ist unehrlich. Die Koalition hat diese Änderungen nicht versehentlich übersehen, sondern sie mit Nachdruck durchgesetzt.
Auf den Internetseiten der SPD-Fraktion können Sie Pressemitteilungen zu dem Vorgang nachlesen.
Außerdem finden Sie die Rede meiner Kollegin Gabriele Fograscher auf der Internetseite des Bundestags im Protokoll der 187. Bundestagssitzung vom 28.6.2012 unter Tagesordnungspunkt 21.
Und zuletzt noch dies: Es gibt mittlerweile eine öffentliche Petition gegen das neue Meldegesetz auf der Internetseite des Bundestages, vielleicht möchten Sie sie mitzeichnen: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=25647
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries