Frage an Brigitte Zypries von Sonja B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
ich habe vor einiger Zeit eine Abmahnung wegen unerlaubter Verwertung zweier geschützter Musikalben von einem allseits bekannten Abmahn-Rechtsanwalt bekommen. Mit Zahlung eines für mich sehr hohen Betrages würde die Angelegenheit beigelegt. Das Internet wird von mir und meinem Sohn genutzt. Wie auch immer diese Tauschbörse auf unserem PC gekommen ist, durch einen Virus oder durch unachtsames Herunterladen von Programmen, wir wissen es nicht. Es war nie und nimmer unsere Absicht, diese Alben ins Internet zu stellen!
Hierzu meine Meinung und Fragen dazu:
1. Warum verfügt die Musikindustrie über eine so große Lobby bei den deutschen Politikern. (Ist sie noch nicht reich genug?)
2. Warum darf bzw. muss mein Provider meine Daten speichern und an Dritte herausgeben? ( Ich bzw. mein Sohn sind weder Terroristen noch Schwerverbrecher.)
3. Warum darf ein Rechtsanwalt Massenabmahnungen versenden? Über den Umweg der Strafanzeige gelangt er an die gewünschten IP-Nummern. Meiner Ansicht nach missbraucht der Anwalt hier das Recht zu Gunsten seiner Gewinnerzielungsinteressen. Warum geht die Politik nicht gegen diesen Abmahn-Missbrauch vor?
Ich fühle mich der mächtigen Musikindustrie und ihren Abmahnanwälten hilflos ausgeliefert; von der Politik fühle ich mich im Stich gelassen.
Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas in Deutschland passieren kann. Ich habe gelesen, dass dieses Ausmaß an Abmahnungen einmalig in Europa ist. Wie kann es so etwas geben?
Ich weiß und bin auch der Meinung, dass Urheberrechte nicht verletzt werden dürfen, aber die Art wie hier dagegen in Deutschland vorgegangen werden kann, ( und ich bin kein Einzelfall!) finde ich unangemessen, diskriminierend und eines demokratischen Staates nicht würdig!
Im Voraus vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
S. Bauer
Sehr geehrte Frau Bauer,
das von Ihnen geschilderte Problem überzogener Abmahnungen ist mir bekannt: Leider gibt es in der Tat nach wie vor Anwälte, die die Unsicherheit vieler Internet-Nutzer ausnutzen und - offensichtlich wahllos - Abmahnungen mit überzogenen Forderungen verschicken.
Genau gegen diese sog. "Abmahnanwälte" haben wir zu meiner Zeit als Bundesministerin der Justiz ein Gesetz gemacht, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gegen solche Abmahnungen schützt (Gesetz zur Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum). Bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs dürfen die Anwaltsgebühren für die erste Abmahnung nicht mehr als 100 Euro betragen. Das gilt für Urheberrechtsverletzungen nach dem 1. September 2008.
Ob das in Ihrem Fall passt, müssen Sie mit einem Anwalt/einer Anwältin beraten. Sehr häufig können auch die Verbraucherberatungen vor Ort Informationen und Tipps geben ( http://www.verbraucherzentrale.de ).
Zu Ihrer Frage zur Weitergabe von Daten durch Internetprovider:
Sehr häufig liegen die Informationen, die erforderlich sind, um denjenigen zu identifizieren, der geistiges Eigentum verletzt, bei Dritten wie z.B. Internet-Providern, die selbst nicht Rechteverletzer sind. Wir haben daher geregelt, dass der Rechteinhaber unter bestimmten Bedingungen auch einen Auskunftsanspruch gegen diese Dritten hat. Der Rechteinhaber erhält damit die Möglichkeit, den Rechteverletzer mit zivilrechtlichen Mitteln zu ermitteln, um so seine Rechte gerichtlich besser durchsetzen zu können. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist u.a., dass der Rechteverletzer im gewerblichen Ausmaß gehandelt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries