Frage an Brigitte Zypries von Maren W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Zypries,
ich hätte eine Frage zum Thema "fliegender Gerichtsstand im Internet". Sicherlich ist Ihnen die Problematik bekannt: für Klagen aus unerlaubter Handlung im Internet ist nach § 32 ZPO im Prinzip jedes Gericht zuständig, weil das Internet überall abgerufen werden kann.
Ich habe beruflich des Öfteren mit Abmahnungen zu tun. Bekanntlich werden z.B. Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen von speziellen Kanzleien in großem Stile vorgenommen. Diese Kanzleien suchen sich im Streitfall dasjenige Gericht aus, welches die günstigsten Urteile für die eigene Mandantschaft fällt. Sei es, weil die Streitwerte besonders hoch angesetzt werden oder noch viel eher, weil eine Rechtsverletzung überhaupt bejaht wird, von anderen Gerichten aber nicht. Schon wegen dieser Möglichkeit und dieser Praxis muß den Abmahnenden gegenüber in der Weise reagiert werden, wie es ihnen am angenehmsten ist - zum Nachteil der Abgemahnten, die ausschließlich mit der für sie ungünstigsten Rechtsprechung leben müssen. Diversität in der Rechtsprechung ist so gut wie ausgeschlossen. Allein der Abgemahnte entscheidet darüber, welche Rechtssprechung zur Anwendung kommt und welche nicht. Es kann im Extremfall ein einziges Gericht in ganz Deutschland sein, welches aus Sicht der Abmahner eine besonders günstige Meinung vertritt - dann gilt in der Rechtspraxis nur noch die Meinung dieses einen Gerichts, welches von den Abmahnern zur Durchsetzung ihrer Interessen ausgewählt wird. § 32 ZPO ermöglicht dies uneingeschränkt. Eingrenzungsversuche einiger Gerichte bleiben Einzelfälle oder scheitern am insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Der Widerspruch zu Art. 101 Abs.1 S.2 GG, § 16 GVG ist offenkundig, aber praktisch nicht vermeidbar.
Mir sind schon lange zurückliegende Reformbestrebungen der Bundesregierung in dieser Hinsicht bekannt - wann sind hier welche Gesetzesänderungen zu erwarten? Für ein "Update" wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Maren Wullkopf
Sehr geehrte Frau Wullkopf,
das von Ihnen geschilderte Problem ist uns bekannt, konkrete Planungen seitens des Bundesministeriums der Justiz allerdings nicht. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion ergibt sich lediglich, dass die Regierung eine Einschränkung des "fliegenden Gerichtsstandes" prüft. Alle Antworten auf die Kleine Anfrage zum Thema "Abmahnmissbrauch im Online-Handel" finden Sie in der beigefügten Drucksache.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries