Frage an Brigitte Zypries von Jochen Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Fr. Zypries,
vielen Dank für Ihre zeitnahe Antwort auf meine Frage vom 17.08.09.
Allerdings ergeben sich für mich hieraus weitere Fragen, die ich Ihnen hiermit gerne stellen möchte.
Wodurch wird die Differenzierung nachdem Geschlecht in Bezug auf die Wehrpflicht begründet bzw. gerechtfertigt?
Wieso finden Art.3 Abs.2 und 3 im Bezug auf die Wehrpflicht keine Anwendung und wo ist dies verfassungsmäßig genannt?
Dass Artikel 12a Männer massiv benachteiligt ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn es mit der Verfassung vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt allerdings nur, dass es keinen Verfassungsvertoß darstellt. Ist hier dann nicht vielmehr der Gesetzgeber in der Verantwortung, seiner in Art.3 Abs.2 selbst auferlegten Verpflichtung nachzukommen, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen und Art 12a zu ändern bzw. abzuschaffen?
Da die Wehrpflicht im Ernstfall auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit einschränkt, ist die logische Schlussfolgerung daraus, dass dem Staat das Leben von Männern weniger Wert ist als das von Frauen?
Wieso kann es einem männlichen Sozialpädagogen verwehrt werden in einem Mädcheninternat eine Stellung anzutreten, da er hier mit der Intimsphäre der Mädchen in Berührung kommen kann, auf der anderen Seite im Bezug auf Gleichberechtigung aber durchaus zulässig ist, dass in den Kreiswehrersatzämtern tag täglich Ärztinnen und Assistentinnen Männer komplett nackt auf ihre „Verwendungsfähigkeit begutachten“? Ist die Intimsphäre von Frauen schützenswerter als die von Männern? Ob hierbei von dem in allen Untersuchungsräumen vorhanden Sichtschutz Gebrauch gemacht wird liegt alleine im Ermessen des Arztes / der Ärztin. Hierbei ist die Frage ob dies einem gesundheitlichen Aspekt dient oder nur dazu den Mann zu demütigen und ihm zu zeigen, dass er hier nicht mehr zu entscheiden hat, was mit ihm passiert.
Über eine Antwort würde ich mich freuen
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Ziegler
Sehr geehrter Herr Ziegler,
es beruht auf der Entscheidung des Verfassungsgebers in Artikel 12a GG, dass Frauen anders als Männer in Friedenszeiten nicht zu einem Pflichtdienst herangezogen werden. Artikel 12a GG stellt eine verfassungsrechtliche Spezialnorm zu Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht hat daher entschieden, dass die Regelung des Artikel 12a GG nicht an den Gleichheitsgrundrechten des Artikels 3 GG zu messen ist; zudem wäre sie selbst als Ausnahmeregelung gerechtfertigt, wenn man in der Dienstpflicht für Männer eine "Benachteiligung" im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 GG zu sehen hätte (BVerfGE 12, 45, 52 f.). Im Übrigen erlaube ich mir, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bewertung der Wehrpflicht auf meine Antwort vom 27. August 2009 zu verweisen.
Soweit Sie Fragen der Durchführung der Überprüfung der Verwendungsfähigkeit ansprechen, ist hierfür das Bundesministerium der Verteidigung zuständig. Ich darf Sie daher bitten, sich gegebenenfalls an meinen Kollegen, Herrn Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung, Stauffenbergstr. 18, 10785 Berlin, www.bmvg.de, zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries