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Frage von Wolfgang R. •

Frage an Brigitte Zypries von Wolfgang R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Brigitte Zypris, MdB, Bundesministerin der Justiz

Mit der Beseitigung des sogenannten "Rentnerprivilegs" im Zuge der Neuregelung des Versorgungsausgleiches zum 1.9.09 haben Sie zwar für mehr Gleichheit, aber weniger Gerechtigkeit gesorgt. Im Laufe einer typischen Erwerbslaufbahn hat der Mann während der Ehezeit 40 Rentenpunkte mehr als die Gattin erworben und zusätzlich einen Anspruch auf eine Betriebsrente von 800€. Er ist älter als die Frau und geht 10 Jahre früher in Rente als sie. Hält die Ehe, erhalten sie (hoffentlich) die Rente entsprechend ihren Einzahlungen. Wird die Ehe zum Zeitpunkt des Renteneintritts des Mannes geschieden, so bekommt er sofort eine um 20 Rentenpunkte geminderte gesetzliche Rente und die halbierte Betriebsrente. Da der Ausgleich für die Frau erst bei ihrem Renteneintritt erfolgt, entsteht für die geschiedenen Personen eine Rentenminderung von 10a X 12Mon X 20P X 27,20€/P = 65.280€bei der gesetzlichen Rente und 48.00€in der Betriebsrente.

Soll das Ihrer Meinung nach eine Strafe für die Scheidung sein? Für mich stellt der Vorenthalt von 113.280€ eine Diskriminierung von Menschen dar, die sowieso durch die Scheidung schwer belastet sind, nur um die stark angeschlagenen Staatsfinanzen zu unterstützen. Sollte sich das Paar erneut vermählen, erhält der Mann dann auch wieder seine volle Rente? Ich vermute wohl eher nicht, obwohl der selbe Familienrechtliche Zustand wie vorher erreicht ist. Für diese Regelung ist das Justizministerium verantwortlich, somit laste ich es besonders der SPD an, die für mich dadurch leider nicht mehr wählbar ist, es sei denn ich habe da etwas missverstanden!

Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Richter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richter,

möglicherweise haben Sie bei Ihrer Sicht der Dinge einige Aspekte übersehen und deshalb tatsächlich etwas missverstanden, wie Sie selbst am Ende Ihrer Nachricht andeuten. Ich möchte Ihnen daher gern die komplexen Zusammenhänge erläutern.

Wir sind uns sicher darin einig, dass die Aufteilung der Rentenansprüche bei einer Scheidung gerecht ist. Die Eheleute haben die Versorgungen gemeinsam erwirtschaftet, deshalb sollen sie auch beide gerecht davon profitieren. Das war auch der Hauptgrund der Strukturreform, die am 1. September 2009 in Kraft getreten ist: Die Teilungsergebnisse haben nach dem bisherigen System nicht mehr gestimmt, außerdem konnten die Dinge nicht abschließend bei der Scheidung geregelt werden.

Ich nehme Ihren Fall, der ja durchaus lebensnah ist: Der Ehemann war erwerbstätig und hat eine ordentliche gesetzliche Rente und eine ansehnliche Betriebsrente aufgebaut. Die Ehefrau hat sich um die Familienarbeit gekümmert; sie ist zehn Jahre jünger. Das Paar lässt sich bei Renteneintritt des Ehemanns (65 Jahre) scheiden; die Ehefrau (dann 55 Jahre alt) erhält erst zehn Jahre später Leistungen aus dem Versorgungsausgleich.

Sie haben recht, dass die gesetzliche Rente und die Betriebsrente aus der Ehezeit nach neuem Recht sofort hälftig aufgeteilt werden. Die übertragenen Werte stehen dem Ehemann ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu; die Ehefrau erwirbt eigenständige Anwartschaften bei den beiden Versorgungsträgern.

Mit der sofort einsetzenden Kürzung beim Ehemann macht aber niemand ein Geschäft: Nehmen wir an, dass beide Ehegatten 80 Jahre alt werden. Das entspricht vereinfacht und ohne Geschlechterdifferenzierung der durchschnittlichen Lebenserwartung. Die beiden Renten des Ehemanns werden dann insgesamt fünfzehn Jahre lang gekürzt. Die Ehefrau erhält ebenfalls insgesamt fünfzehn Jahre die beiden Leistungen aus dem Versorgungsausgleich - aber eben nur zeitversetzt, zehn Jahre später. Das ist ein gerechtes Ergebnis; niemand bereichert sich hier, schon gar nicht der Staat.

Setzt die Kürzung dagegen erst dann ein, sobald die ausgleichsberechtigte Ehefrau Leistungen aus dem Versorgungsausgleich erhält, kommt es zu Ungerechtigeiten, und zwar zu Lasten aller Versicherten. Der Rententräger kann im genannten Beispiel dann nämlich nur fünf Jahre beim älteren Eheman kürzen. Er muss aber fünfzehn Jahre an die jüngere Ehefrau zahlen. Die Mehrkosten zahlen letztlich alle Versicherten. Genau das war das Ergebnis des bisherigen „Rentnerprivilegs“, und deshalb hat die Bundesregierung es abgeschafft.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries