Frage an Brigitte Zypries von Helmut E. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries!
Rechtsanwälte haben in Deutschland einen Anspruch auf Honorar-Vorschuß. Ohne diesen Vorschuß schreiben viele Anwälte keine Klage oder Schriftsatz in einer Klage-Sache. Wenn aber der Anwalt in einer Ein-Mann-Kanzlei einen Vorschuß kassiert und dann plötzlich krank wird, ist dann nicht der Kunde des Anwalts in einer miserablen Position: Geld weg ohne pünktliche Gegenleistung? Im Internet soll man keine Vorschuß-Zahlungen leisten, um nicht von Betrügern abkassiert zu werden. Konkret: Müßte man nicht die Rechts-Position von Anwaltskunden stärken, insofern, daß zumindest der Grundsatz "der Bezahlung Zug um Zug" gesetzlich verankert wird, der Kunde also erst bezahlt, wenn ihm der Anwalt den Schriftsatz an ein Gericht in die Hand gibt? Oder ist die Rechtsanwalts-Lobby, die teilweise eine fast identische FDP-Lobby ist, zu stark um ein verbraucher- freundliches Honorar-Recht mit gleicher Augenhöhe von Rechtsanwälten und Kunden zu verhindern?
Mit freundlichen Grüßen
H.Epple
Sehr geehrter Herr Epple,
die Vorschusspflicht hat einen berechtigten Grund. Bis zur Erledigung des Mandats kann eine lange Zeit vergehen, in der der Rechtsanwalt bereits Geld benötigt, um für sich, für seine Familie und für seinen Kanzleibetrieb zu sorgen. Ferner dient der Vorschuss dazu, die Erfüllung des Honoraranspruchs abzusichern: Die Zahlungsbereitschaft der Mandanten nimmt nicht selten ab, sobald die Angelegenheit für sie abgeschlossen ist.
Dem Mandanten entsteht aus der Vorschusspflicht kein entscheidender Nachteil. Der Vorschuss muss zurückgezahlt werden, wenn das Mandat beispielsweise wegen einer langwierigen Erkrankung nicht ausgeführt werden kann. Das Geld ist also nicht einfach "weg". Mit einer Vorschusszahlung an einen Internet-Anbieter ist das nicht vergleichbar. Solche Zahlungen sind vor allem deshalb gefährlich, weil sich oft nur schwer einschätzen lässt, ob der Empfänger seriös und zur Gegenleistung fähig und bereit ist. Vielfach ist der Empfänger auch nicht mehr ausfindig zu machen, wenn Ansprüche etwa auf Rückzahlung von Vorschüssen gegen ihn geltend gemacht werden sollen.
All dies trifft auf Rechtsanwälte nicht zu: Als Rechtsanwalt darf nur tätig werden, wer nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) von der zuständigen Rechtsanwaltskammer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden ist. Nach § 27 BRAO muss der Rechtsanwalt seine Kanzlei im Bezirk dieser Rechtsanwaltskammer unterhalten und jede Verlegung des Kanzleisitzes unverzüglich anzeigen. Gerät ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall, muss die Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO im Regelfall seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen. Die Gefahr, dass ein Rechtsanwalt einen Vorschuss entgegennimmt und dann auf Nimmerwiedersehen verschwindet oder etwaigen Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, ist dadurch ganz erheblich reduziert.
Für eine Änderung des geltenden Rechts sehe ich daher keine Veranlassung.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries