Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Herbert F. •

Frage an Brigitte Zypries von Herbert F. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Zypies,
einige Fragen an Sie als SPD-Mitglied:
Warum geht es der Mehrheit der Bevölkerung heute finanziell immer schlechter trotz Steigerung des Bruttosozialproduktes, des Wachstums und der Exportüberschüsse?
Warum geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander?
Warum gibt es keine lineare Einkommensbesteuerung, wo dann auch unverschämt hohe Bonis mit sehr hohen Steuern belegt werden?
Warum steigt in einem so reichen Land die Anzahl der Suppenküchen immer weiter?
Wo ist die Solidarität, wenn sich ganze Personengruppen aus der sozialen Verantwortung verabschieden können? Ist es so zu verstehen, dass nur die „unteren Einkommensempfänger“ Solidarität üben sollen?
Sollten nicht von alle Einkommen Beiträge in Kranken- und Rentenversicherung eingezahlt werden, um dann z.B. in der Rentenversicherung eine Mindest- und Höchstrente einzuführen?
Warum wird nicht endlich das Steuersystem vereinfacht, sondern immer nur diskutiert?
Warum gibt es z.B. Kinderfreibeträge, von denen die mit den höchsten Steuern (hohe Einkommen) am meisten profitieren?
Wäre es nicht gerechter, das Kindergeld für alle Kinder gleich auszuzahlen?
Warum werden nicht die Menschen zu den Leistungsträgern gezählt, die sich um das Wahl ihrer Mitmenschen einsetzen (z.B. Kindergärtner/innen und Pflegepersonal)?
Warum können heute viele nicht von dem Lohn ihrer Arbeit leben, was vor 10-20 Jahren noch kein Thema war?
Warum werden kompetente Personen als Panikmacher verunglimpft, wenn sie vor Unruhen wegen der sozialen Schieflage befürchtet.

Ihrer Antwort entgegensehend
mit freundlichen Grüssen

H.Freitag

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Freitag,

ich denke nicht, dass es der Mehrheit der Bevölkerung immer schlechter geht. Insgesamt ist der Wohlstand in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten - auch für die breite Masse - stark gestiegen. Richtig ist jedoch, dass es immer mehr Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung gibt. Durch die "Erbengeneration" und durch die Menschen, die ihr Geld anlegen, wird der Abstand zwischen reich und arm immer größer. Es gibt sicher noch weitere Gründe, die im Rahmen einer solchen Antwort nicht umfassend erörtert werden können.

Es ist richtig, dass die Politik auf diese Entwicklung reagieren und gegensteuern muss. Das ist schwierig, wenn Parteien starke Unterstützung finden, deren politische Maßnahmen die Einkommensschere noch vergrößern. An erster Stelle muss stehen, dass alle Menschen eine Arbeitsstelle bekommen und von dem Lohn auch leben können. Deshalb müssen wir Wachstumsbranchen fördern, damit neue Arbeitsplätze entstehen. Gleichzeitig muss ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden, damit alle Menschen auch von ihrem Einkommen leben können. Das war bisher mit der Union nicht durchzusetzen.

Eine linear-progressive Einkommensbesteuerung gibt es allerdings bereits. Schon jetzt müssen also Reiche mehr Steuern bezahlen als Menschen mit geringerem Einkommen. Richtig ist allerdings, dass Gutverdiener noch mehr zur Finanzierung der Solidargemeinschaft beitragen müssen. Ich trete deshalb für einen Zuschlag auf den Steuersatz für Bezieher hoher Einkommen ein, um mit dem zusätzlichen Geld eine bessere Bildung finanzieren zu können. Das will allerdings nur die SPD.

Ich unterstütze auch Ihre Forderung, dass in Zukunft alle Menschen Einkommen in die Krankenversicherung einzahlen müssen. Die SPD fordert schon seit langem die Einführung einer "Bürgerversicherung". Bei der Rentenversicherung ist dies schwieriger, da hier kein Risiko, das eintritt oder auch nicht, abgesichert wird, sondern Ansprüche erworben werden, die man dann im Alter realisiert. Allerdings ist es richtig, dass wir erreichen müssen, dass Renten armutsfest sind.

Eine Vereinfachung des Steuersystems ist ebenfalls eine Forderung der SPD. Sie wurde bisher nicht umgesetzt, weil wir dies nicht auf Kosten von Steuersenkungen, also auf Kosten des Sozialstaats oder der Neuverschuldung, tun wollen. Union und FDP wollen nämlich nicht in erster Linie eine Steuervereinfachung, sondern eine Steuersenkung. Das halte ich in der jetzigen Situation aber für verantwortungslos.

Dass Kinderfreibeträge für Bezieher hoher Einkommen höher sind, ist in der Tat auf den ersten Blick ungerecht. Das ist allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anders zu regeln. Der Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld kommt nämlich wie folgt zu Stande: Unser Grundgesetz gebietet es, dass das Existenzminimum eines Menschen nicht versteuert wird. Deshalb darf das Existenzminimum eines Kindes nicht versteuert werden und die Eltern erhalten einen entsprechenden Freibetrag. Da nun aber für höhere Einkommen auch höhere Steuersätze gelten, profitieren sie auch am meisten, wenn dieser Freibetrag eben nicht besteuert wird.

Ich zähle Menschen, die sich für das Wohl ihrer Mitmenschen einsetzen - wie z.B. Pflegepersonal - durchaus zu den Leistungsträgern und würde eine bessere Bezahlung sehr begrüßen. Diese auszuhandeln ist allerdings Aufgabe der Tarifvertragsparteien.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries