Frage an Brigitte Zypries von Andreas F. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Zypries,
ich bin niedergelassener Pneumologe ( Facharzt für Lungenerkrankungen ) in Darmstadt.
Der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Lauterbach hat gestern im Radio seine seit 2 Jahren bekannte These erneuert, in Deutschland gebe es eine "Doppelte Facharztschiene" , und zwar in den Kliniken und im ambulanten Sektor, weshalb man langfristig den ambulanten Facharztsektor eliminieren müsse.
In Ihrem Wahlkreis Darmstadt gibt es 4 niedergelassene Pneumologen, 2 weitere sind an Darmstädter Kliniken tätig.
Die 4 niedergelassenen Pneumologen betreuen ca. 5000 Patienten pro Quartal, 3000 davon sind sicherlich höhergradig krank. Vor diesem "Darmstädter Hintergrund" würde mich Ihre Meinung zur These Ihres SPD-Kollegen interessieren, nach der die ambulante Facharztversorgung prinzipiell abgeschafft werden sollte.
Als Zusatzfrage erlaube ich mir nachzufragen, ob Sie es nicht auch als höchstproblematisch empfinden, dass eben jener Prof.Lauterbach als Aufsichtsratmitglied auf der Gehaltsliste der RhönAG steht, die bundesweit versucht, gewachsene patientennahe ambulante Facharztstrukturen durch monopolistische klinikgebundene, sogenannte MVZ abzulösen.
Ein Blick ins benachbarte Marburg zeigt übrigens, dass die RhönAG beim Betreiben Ihrer Gesundheitseinrichtungen sehr profitorientiert wirtschaftet ( siehe FR vom 25.7.09 ), allerdings unter Opferung sozialer Standarts von Arbeitnehmern und konsequenten Privatisierungen. Damit ich richtig verstanden werde: Ich halte es nicht für anstößig, die Interessen der RhönAG zu vertreten, aber für äußerst bedenklich, dass ein einflussreicher Politiker offensichtlich seine Aufgaben als MdB und seine Aufgaben als bezahlter Mitarbeiter der RhönAG vermengt.
Sehr geehrter Herr Forster,
das Interview mit Herrn Lauterbach, auf das Sie sich beziehen, ist mir nicht bekannt. In den Äußerungen von Herrn Lauterbach, die ich kenne, hat er sich jedoch nicht für eine Eliminierung des ambulanten Facharztsektors, sondern lediglich für mehr Wettbewerb ausgesprochen.
Ich bin nicht für eine Abschaffung des ambulanten Facharztsektors. In einer Gesellschaft des längeren Lebens gilt es die Teilhabe aller auch im Gesundheitswesen zu sichern. Dazu gehört eine wohnortnahe ambulante Versorgung durch niedergelassene Haus- und Fachärzte, die Sicherung der freien Arztwahl, aber auch die Stärkung der Zusammenarbeit der ambulant tätigen Haus- und Fachärzte mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die wohnortnahe medizinische Versorgung muss gesichert bleiben. Dazu müssen wir vorhandene Möglichkeiten nutzen und neue Wege beschreiten, wie Bonussysteme, Medizinische Versorgungszentren und Netzwerke, die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante, spezialisierte Leistungen.
Ich kann keine Aufgabenvermengung zwischen der Tätigkeit von Herrn Lauterbach als Abgeordneter im Deutschen Bundestag und seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der Rhön Klinikum AG erkennen. Aufsichtsräte sind Gremien nach dem Aktiengesetz, die keine operativen Aufgaben wahrnehmen, sondern die Vorstände überwachen und überprüfen.
Wir haben die Veröffentlichungspflicht extra aufgenommen, damit sich die Wähler ein Bild über die Tätigkeit der Abgeordneten außerhalb des Bundestages machen können und dies dann gegebenenfalls bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries
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