Frage an Brigitte Zypries von Gerhard C. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Zypries,
Wie stehen Sie zu dem Thema der Ungleichbehandlung und der großen Benachteiligung von Kindern aus Trennungsfamilien?
Wie erklären Sie den Vätern, welche von ihren Frauen verlassen wurden, warum sie zusätzlich bestraft werden?
Zu den Fakten: ich gehöre zu den 0,4% allein erziehenden berufstätigen Vätern in Deutschland.
Alle Politiker (in den vielen Diskussionen, welche ich bis heute im Wahlkampf verfolgen durfte) betonen, das insbesondere Familien und deren Kinder geschützt und unterstützt werden müssten. Die Kinder seien die Zukunft unseres Landes.
Nach der Statistik hat eine 6-köpfige Familie ein Durchschnittshaushaltseinkommen in Deutschland von ca. 4400€ Netto (inkl. Kindergeld).
Wir waren jahrelang somit eine ganz normale Durchschnittsfamilie.
Nach der Trennung leben 2 Kinder bei mir und 2 bei ihrer Mutter.
Zu den höheren Aufwendungen (750€ Miete zusätzlich) kommt nun eine zusätzliche Bestrafung durch den Finanzminister: ich zahle fast 500€ mehr Steuern, obwohl sich an unserer Leistung für die Allgemeinheit in der Kindererziehung/Rente usw. sich nichts geändert hat! Von doppelter Haushaltsführung, den Umgangskosten usw. ganz zu schweigen.
Für 30 Jahre hartes arbeiten, Kindererziehung und jahrelanges soziales Engagement fühle ich mich (auch in Namen meiner Kinder) von dieser Gesellschaft und ihren Politikern betrogen.
Unsere Kinder werden sehr stark benachteiligt. Bafög wird auch noch verwehrt, da mein Bruttoeinkommen sich nicht erniedrigt hat. Meine Kinder und ich lebe unter weit schlechteren Bedingungen als vor der Trennung.
Die Einstellung meiner Kinder, das sie keine Kinder haben möchten, kann ich jetzt absolut nachvollziehen.
Wäre ich Single geblieben, würde es mir heute sehr gut gehen.
Die Singles in meinem Alter werden von meinen Kindern unterstützt.
Das kann keine soziale Gesellschaft mehr sein.
Sehr geehrter Herr Collmann,
vielen Dank für Ihren Forumsbeitrag vom 7. September 2005 auf "kandidatenwatch.de" zum Einkommensteuerrecht und BAföG.
Es ist richtig, dass getrennt lebende Ehegatten bzw. Geschiedene nicht wie zusammenveranlagte Ehegatten besteuert werden. Denn nur bei zusammenveranlagten Ehegatten kann das so genannte Splittingverfahren angewendet werden. Beim Splittingverfahren werden die Ehegatten so gestellt, als ob jeder Ehegatte die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erzielen würde. Diese Methode führt häufig zu einem Steuervorteil, vor allem dann, wenn die Ehegatten unterschiedlich viel verdienen. Für das Splittingverfahren sprechen gute Gründe: Ehegatten erwirtschaften das Haushaltseinkommen in der Regel gemeinsam und entscheiden auch gemeinsam über die Verwendung des Einkommens. Es wäre daher nicht gerecht, gleichwohl anzunehmen, die Ehegatten seien unterschiedlich leistungsfähig. Auch das Bundesverfassungsgericht ist daher der Auffassung, dass das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung ist, sondern eine an dem Schutzgebot des Artikels 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten (Artikel 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung.
Natürlich kann ich verstehen, dass Sie den Wegfall der Vergünstigung in Ihrer derzeitigen Situation als Belastung empfinden. Dennoch bleibt es dabei, dass jemand, der Kinder hat, steuerlich besser gestellt ist als jemand, der keine Kinder hat. Unabhängig davon, ob Sie verheiratet sind oder nicht, profitieren Sie vom Familienleistungsausgleich, erhalten also Kindergeld bzw. die Freibeträge für Kinder. Als Geschiedener oder dauernd getrennt lebender Ehegatte steht Ihnen außerdem das Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zur Verfügung. Sie können also die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten bis zu einer Höhe von 13.805,- Euro als Sonderausgaben geltend machen.
Gewundert habe ich mich über Ihre Aussage zum BAföG. Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BAföG kann die Einkommensteuer von dem zu berücksichtigenden Einkommen der Eltern abgezogen werden. Danach kommt es auf das Netto-, nicht auf das Bruttoeinkommen der Eltern an. Ich empfehle Ihnen daher, diese Frage noch einmal mit Ihrem Finanzamt zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries