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Frage von Robert P. •

Frage an Brigitte Zypries von Robert P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Ministerin,

wie ich auf der Internetseite des Focus lesen muss, befürworten Sie eine Einführung des Kommunalwahlrechts auch für Nicht-EU-Ausländer. Haben Sie dabei denn keine Bedenken im Hinblick auf das Demokratieprinzip? Undemokratisch erscheint es mir nämlich, wenn ein Volk sich seinen Staat konstituiert (siehe Präambel des Grundgesetzes), und dieser Staat es dann unternimmt, sich stattdessen ein neues, anderes Volk zu erwählen. Steht dahinter womöglich der Versuch, sich von deutschen Wählern unabhängig zu machen?

Mit freundlichem Gruß,
Robert Pfeffer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Pfeffer,

es trifft zu, dass ich mich dafür einsetze, durch eine Grundgesetzänderung ein kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger, die seit sechs Jahren in Deutschland leben, zu schaffen.

Ein Wahlrecht für Ausländer, die dauerhaft im Bundesgebiet leben, wäre eine Stärkung der Integration der Ausländer durch eine bessere politische Teilhabe. Wer die Angelegenheiten seiner Gemeinde oder seines Stadtviertels bei Wahlen mitbestimmen kann, der identifiziert sich auch stärker damit. Bereits jetzt können nach Artikel 28 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes in Gemeinden und Kreisen Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, wählen. Viele europäische Staaten sind auch den nächsten Schritt gegangen und geben das Wahlrecht allen Ausländern. Ich meine, wir sollten diesen Schritt auch in der Bundesrepublik Deutschland gehen.

Ihre Bedenken im Hinblick auf das Demokratieprinzip teile ich nicht. Vielmehr wäre ein solches Kommunalwahlrecht für alle Ausländer eine Stärkung der Demokratie. Die Einführung eines kommunalen Ausländerwahlrechts durch eine Änderung des Grundgesetzes ist meiner Ansicht nach verfassungsrechtlich zulässig. Im Falle einer Verfassungsänderung muss ein verfassungsänderndes Gesetz die Anforderungen des Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes wahren. Es ist nicht erkennbar, dass ein kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger die in Artikel 20 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze berührt. Nur das Demokratieprinzip, nicht aber dessen Ausgestaltung im Einzelnen (hier der Kreis der Wahlberechtigen), ist verfassungsänderungsfest.

Ihren Vorwurf, die Einführung eines solchen kommunalen Wahlrechts auch für Ausländer sei der Versuch, sich von den Wählern deutscher Staatsangehörigkeit unabhängig zu machen, kann ich nicht nachvollziehen. Das Wahlrecht für deutsche Staatsangehörige bleibt selbstverständlich bestehen. Bei der politischen Diskussion um die Einführung des Kommunalwahlrechts für alle Ausländer geht es vielmehr um die Frage, ob es unserer Demokratie auf Dauer zuträglich ist, wenn ein erheblicher Teil der hier auf Dauer lebenden und verwurzelten Bevölkerung von der demokratischen Teilhabe auf kommunaler Ebene ausgeschlossen bliebe.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries