Frage an Brigitte Zypries von Albert E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Zypries,
nach §101 Abs.9 UrhG erlässt das örtlich zuständige Landgericht auf Antrag von Inhabern von Urheberrechten eine Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten.
Dies führt in der Folge dazu, dass Rechteinhaber im Rahmen des zivilrechtlichen Auskunftsanspruches über die Internetserviceprovider erfragen dürfen, welchem Anschlussinhaber zu einem bestimmten Zeitpunkt eine IP zugeordnet war.
Entsprechende IP-Listen werden zuvor durch private Ermittlungsunternehmen, welche teilweise Ihren Firmensitz in der Schweiz haben, ohne staatliche Kontrolle und ohne Kenntnis des Betroffenen mit rätselhaften Erfassungsmethoden erstellt.
Das Landgericht Köln hat dazu mit Beschluss vom 25.09.2008* (Az.:109-1/08) festgestellt, dass die Art der Datenerfassung in der Vergangenheit bereits häufig zu fragwürdigen Ergebnissen führte:
„Dass die Zuverlässigkeit der ausgespähten IP-Adressen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der Staatsanwaltschaft, die schon öfter offensichtliche Mängel bei der IP-Adressen-Auflösung beobachtet hat. [...] Derartige Fehlverknüpfungen sind nach der Erfahrung der Staatsanwaltschaft auch kein seltenes oder vereinzeltes Phänomen...“
*Quelle: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/109_1_08beschluss20080925.html
Als Kunde würde ich erwarten, dass mein Provider mich darüber informiert, dass meine Adresse an private Unternehmen übermittelt wird, zumal es sich bei den betreffenden Rechteinhabern zu einem großen Teil um Vertreiber fragwürdiger „Fortpflanzungsdokumentationen“ handelt.
In unserem Nachbarland Österreich scheint dies zumindest möglich zu sein:
http://derstandard.at/fs/1244460954179/Offiziell-Telekom-Austria-informiert-Kunden-ueber-geplante-Abmahnungen-der-Medien-Industrie
Daher meine Frage:
Darf in Deutschland ein Provider mich zeitgleich über die Herausgabe meiner Daten an den Rechteinhaber informieren bzw. aus welchen rechtlichen Gründen wäre ihm das ggf. untersagt?
Sehr geehrter Herr Esel,
da der Gesetzgeber den Interserviceprovider in § 101 UrhG weder zum Stillschweigen noch zur Anzeige gegenüber dem Nutzer verpflichtet hat, richtet sich die Frage der Auskunft an den Betroffenen nach den allgemeinen Vorschriften. In Betracht kommt eine Benachrichtigung des Betroffenen im Sinne von § 33 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). § 33 BDSG regelt allerdings nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Benachrichtigungspflicht besteht. Grundsätzlich hindert § 33 BDSG den Provider daher nicht, den Betroffenen von einer Auskunftserteilung nach § 101 UrhG zu benachrichtigen, obwohl die Voraussetzungen für eine gesetzliche Benachrichtigungspflicht nicht vorliegen. Ob der Provider eine danach grundsätzlich zulässige Benachrichtigung im Einzelfall ausnahmsweise unterlassen muss, weil die Tatsache der Auskunftserteilung geheimhaltungsbedürftig ist, namentlich wegen eines überwiegenden rechtlichen Interesses eines Dritten (vgl. § 33 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BDSG), kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und auf Grund einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen beurteilt werden. Insoweit möchte ich insbesondere einer Beurteilung durch die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde nicht vorgreifen. Falls Ihr Provider sich rechtlich gehindert sieht, Sie über die Erteilung von Auskünften nach § 101 UrhG zu benachrichtigen, können Sie den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit um Überprüfung bitten.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries