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Frage von Klaus L. •

Frage an Brigitte Zypries von Klaus L. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich habe eine Frage zu Ihrer Antwort vom 14.07. auf die Frage von Herrn Hövelmann vom 29.06.2008.

Bedeutet die > berufsständische Pflicht, die Interessen ihres Mandanten zu vertreten, und zwar auch dann, wenn es sich nachteilig für die Gegenseite oder für Dritte auswirkt < nicht automatisch, dass Rechtsanwälte sich nicht am "Kindeswohl" orientieren müssen? Um so mehr, da "Kindeswohl" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, und jeder diesen nach Belieben umdeutet?

Anders kann ich mir das Verhalten der meisten Anwälte in deutschen Familiengerichtssälen nicht erklären.

Müßte hier nicht dringend ein Gesetz im Anwaltsrecht ergänzt werden, dass bei familiengerichtlichen Verfahren eben das "Kindeswohl" über der von Ihnen beschriebenen berufsständigen Anwaltspflicht steht?

Mit freundlichen Grüßen
K. Lehmann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Lehmann,

Es besteht kein Gegensatz zwischen den Anwaltspflichten und dem Kindeswohl. Denn die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tragen auch mit der Wahrnehmung ihrer beruflichen Aufgabe, die Interessen ihres Mandanten zu vertreten, dazu bei, dass in einem familiengerichtlichen Verfahren das Gericht die Entscheidung finden und treffen kann, die dem Kindeswohl am besten entspricht. Sie tun dies - das ist ihre Funktion - aus Sicht ihres Mandanten und verwirklichen damit dessen rechtliches Gehör. Diese Interesenvertretung stellt einen wichtigen rechtsstaatlichen Grundsatz dar.

Gericht und Anwaltschaft haben dabei ganz unterschiedliche Aufgaben, allein das Gericht entscheidet. Der Gesetzgeber hat die Orientierung der gerichtlichen Entscheidung am Kindeswohl im Kindschaftsrecht und im gerichtlichen Verfahrensrecht fest verankert. Insbesondere hat das Familiengericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und ist dabei an den Vortrag der Parteien oder ihrer Vertreter nicht gebunden; das "Verhalten" der Anwälte im Gerichtssaal hat auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss. Ebenso wenig ist der Begriff des Kindeswohls beliebig auslegbar. Ich möchte Sie auch noch darauf hinweisen, dass durch das am 1. September 2009 in Kraft tretende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Kindeswohl noch besser geschützt wird; in einer Vielzahl von Fällen ist dem betroffenen Kind dann ein Verfahrensbeistand zu bestellen, der ausschließlich die Interessen des Kindes wahrnimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries