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Frage von Rainer G. •

Frage an Brigitte Zypries von Rainer G. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich beziehe mich auf einen Artikel in der TAZ vom 22.4.2009
Ein Interview mit Ihnen: "Islamisten dürfen neugierig sein".

Es geht um den Gesetzentwurf (der mittlerweile vom Bundestag verabschiedet wurde) , schon den Besuch von Terrorlagern unter Strafe zu stellen.

In dem Interview begründen Sie immer ihre Pro-Haltung zu diesem Gesetzentwurf, dass der Besuch erst dann unter Strafe steht, wenn der Besucher auch die Absicht hat, eine Straftat zu begehen.

Können Sie mir erklären, wie Sie den Widerspruch in folgender Aussage "... mit unserem Gesetz wollen wir zu einer Bestrafung der Täter kommen ..." aufgelöst bekommen? Sie wollen, dass nur Täter bestraft werden, wie aber kann dann jemand für eine noch nicht begangene Straftat bestraft werden?

Für mich ist ein Täter jemand, der eine (Straf)tat begangen hat und nicht jemand, der möglicherweise eine (Straf)tat begehen wird.

Wie können die ermittelnden Behörden die Absicht eine Straftat zu begehen zweifelsfrei(!) nachweisen?

Im Interview sagen Sie dazu u.a. " ... Wer etwa ein Al-Qaida-Lager besucht, muss schon gut begründen, dass er keine terroristischen Absichten hatte...."

Also doch umkehr der Unschuldsvermutung? Muss man nun seine Unschuld beweisen?

In Ihrer Antwort vom 11.5.2009 in diesem Forum (zum Thema "Sperrung der Kinderpornographie Webseiten" ) antworten Sie (zur Unschuldsvermutung):

"(…) Selbstverständlich muss niemand die Unschuld nachweisen (…)"

Können Sie mir erklären, wieso dann der Al-Qaida-Lager Besucher seine Unschuld nachweisen soll?

Es ist ja nicht nur dieser eine Gesetzentwurf, sondern viele, die die gleiche Tendenz aufweisen. Aus gutem Grund steht in unseren Gesetzen, dass nur die Tat bestrafft werden darf (und nicht die moralische Verwerflichkeit eines Menschen).

Mir persönlich machen solche Gesetzentwürfe Angst, weil sie tendenziell die Möglichkeit eines Polizeistaats eröffnen.

Können Sie mir meine Angst nehmen?

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Gerdes

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gerdes,

Ihre Angst vor einem Polizeistaat kann ich Ihnen gerne nehmen, sie ist unbegründet.

Kernstück des von Ihnen kritisierten Entwurfs ist die Strafvorschrift des neuen § 89a des Strafgesetzbuchs (StGB/Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat). Danach soll zukünftig mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, in dem er eine bestimmte konkret beschriebene Vorbereitungshandlung vornimmt, wie z.B. das Herstellen von Waffen, das Sich-Unterweisen-Lassen im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen etc. Für die Strafbarkeit kommt es mithin nicht darauf an, wo die Ausbildung im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengstoffen stattfindet. Die Ausbildung kann zwar in einem so genannten Terrorlager stattfinden, notwendig ist das jedoch nicht.

Bei § 89a StGB geht es nicht darum, jemanden für eine noch nicht begangene Straftat zu bestrafen. Für die Strafbarkeit ist ausschließlich entscheidend, dass sich der Täter im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengstoffen ausbilden lässt und hierbei den Vorsatz hat, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Dieses Verhalten ist gefährlich, strafwürdig und strafbedürftig. Die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ist unter den genannten Voraussetzungen bereits strafrechtliches Unrecht und muss deshalb geahndet werden.

In Ihrer Anfrage klingt an, dass Sie der Meinung sind, hier würde die „moralische Verwerflichkeit eines Menschen“ bestraft. Ich teile diese Auffassung nicht. § 89a StGB bestraft nicht die missliebige Gesinnung potentieller Täter – also den bösen Gedanken –, sondern konkrete ausdrücklich benannte Vorbereitungshandlungen. Die Strafrechtsordnung toleriert also auch weiterhin die islamistische, rechts- oder linksextremistische Gesinnung eines Menschen bis zu der Schwelle, wo sie in Bezug auf schwerste staatsschutzrelevante Gewaltverbrechen durch konkrete Vorbereitungshandlungen in die Tat umgesetzt wird.

Die von Ihnen geäußerte Sorge, dass § 89a StGB zu einer Umkehr der Unschuldvermutung führen könnte, vermag ich nicht zu teilen. Das von Ihnen in diesem Zusammenhang gewählte Zitat aus dem Interview mit der taz vom 22. April 2009 gibt meine Äußerungen nur verkürzt wieder.

Entscheidend ist, dass auch im Falle des neuen § 89a StGB die grundrechtlich garantierte Unschuldsvermutung uneingeschränkt gilt. Die Strafverfolgungsbehörden müssen dem Täter nachweisen, dass er bei der Ausbildung im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengstoffen den Vorsatz hatte, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Es ist nicht Aufgabe des Täters sich zu entlasten. Der Gesetzentwurf ist insoweit eindeutig.

Die Prüfung und der Nachweis subjektiver Elemente in Strafnormen ist das tägliche Brot der Strafverfolgungsbehörden. Straftatbestände wie Betrug und Urkundenfälschung setzen ebenfalls bestimmte Absichten voraus, die dem Täter auch nachgewiesen werden müssen. Wie in diesen Fällen wird es für den Tatnachweis bei § 89a StGB auf die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries