Frage an Brigitte Zypries von Michael G. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Zypries,
im Grundgesetz, derzeit in aller Munde, steht von Anfang an unter Artikel 6 Absatz 5 der Satz: "Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für die leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern"
Warum gehören nichtehliche Väter nur dann dazu, wenn die Kindesmutter das nach gutdünken erlaubt?
Eine unverheiratet Mutter hat nun grundsätzlich den gleichen Anspruch gegenüber dem unehelichen Kindesvater wie eine Verheiratet. Warum hat der Uneheliche Vater nicht die gleichen Ansprüche wie ein Verheirateter?
Sehr geehrter Herr Gaese,
bei der von Ihnen aufgeworfenen Problematik handelt es sich um ein ebenso wichtiges wie schwieriges Thema, dem meine besondere Aufmerksamkeit gilt.
Nach der Kindschaftsrechtsreform von 1998 gibt es ein gemeinsames Sorgerecht nur, wenn die Eltern sich darüber einig sind oder heiraten, ansonsten ist allein die Mutter sorgeberechtigt (§ 1626a des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]). Viele teilen Ihre Kritik, dass ein Vater gegen den Willen der Mutter kaum eine Chance hat, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind zu erhalten. Der Gesetzgeber nahm damals allerdings an, dass eine erzwungene Gemeinsamkeit bei einer Vielzahl flüchtiger instabiler nichtehelicher Beziehungen erhebliche Nachteile für das Kindeswohl hat. Die daraus resultierenden Streitigkeiten würden letztlich auf dem Rücken des Kindes ausgetragen und könnten so das Kindeswohl beeinträchtigen.
Der Gesetzgeber hat also von den nichtverheirateten Eltern die Einigkeit über das gemeinsame Sorgerecht oder die Heirat als Zeichen dafür verlangt, dass die Eltern bereit und in der Lage sind, das Sorgerecht zum Wohl des Kindes gemeinsam auszuüben. Das Bundesverfassungsgericht hat § 1626a BGB überprüft und in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2003 im Wesentlichen für verfassungsmäßig erklärt. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aber aufgegeben, die tatsächliche Entwicklung weiter zu beobachten und zu prüfen, ob die Annahmen des Gesetzgebers auch vor der Wirklichkeit Bestand haben. Zu einer der maßgeblichen Annahmen zählt dabei, dass eine Mutter, die mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt und gleichwohl keine Sorgeerklärung abgibt, dafür schwerwiegende Kindeswohlgründe hat. Um zu klären, ob diese Annahme heute noch stimmt, habe ich eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Diese soll klären, ob das geltende Recht tatsächlich dem Kindeswohl entspricht oder ob wir beim gemeinsamen Sorgerecht etwas verändern müssen.
Unabhängig davon, ob die Eltern die Sorge für das Kind gemeinsam ausüben oder ob sie einem Elternteil allein zusteht, bestehen Umgangsrechte zwischen dem Kind und dem nicht mit ihm zusammenlebenden Elternteil. Nach § 1684 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Kind ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Die Einführung dieser Bestimmung ist ein wichtiger Erfolg der Kindschaftsrechtsreform.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries