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Frage von Andreas K. •

Frage an Brigitte Zypries von Andreas K. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich nehme an, dass Sie als Justizministerin dafür verantwortlich sind, dass es in Deutschland aus gesetzlicher Sicht zu einer effektiven Strafverfolgung kommen kann.

Daher richte ich meine Frage an Sie, obwohl Sie sich in der aktuellen Diskussion um die sogenannten "Kinderpornosperren" (man könnte auch schlicht von Internetzensur sprechen) sehr zurückhalten und sich vorbildlicher weise nicht an der allgemeinen Instrumentalisierung von Vergewaltigungsopfern zu Wahlkampfzwecken beteiligen.

In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung. Daher kann jemand nur dann für etwas rechtlich belangt werden, wenn er es auch tatsächlich nachgewiesenermaßen getan hat.
Wenn man also einen Konsumenten von "kinderpornografischem" Material vor Gericht stellen möchte, muss man die Beschaffung von derartigem Material nachweisen. Wie man letztens an der Aktion "Himmel" gesehen hat, ist ein Nachweis schon jetzt sehr schwierig.
Wenn nun aber die vorgesehene Internetzensur kommen sollte, und wenn man davon ausgeht, dass solche Sperren effektiv wären, würden Pädophile beim Versuch sich Material zu beschaffen nur auf die Stopp-Seiten zugreifen und nicht auf das rechtlich relevante Material. Jede weitere Nachweismöglichkeit wäre blockiert, eine Strafverfolgung wäre somit unmöglich.
Schlimmer noch: der Betroffene wäre gewarnt und könnte evtl. existierendes belastendes Material vernichten.

Nun meine Frage zu dieser Problematik:

$184b StGB zwingt den Staat unmissverständlich zur Strafverfolgung von "Kinderpornografie"-Konsumenten. Eine Zensur macht diese Strafverfolgung unmöglich. Ist es überhaupt erlaubt ein Gesetz zu erlassen, das den Staat an der Wahrnehmung seiner Verpflichtung zur Strafverfolgung hindert?

Falls nicht, bitte ich Sie das klipp und klar an Ihre Koalitionskollegen weiterzugeben, damit diese Scharade endlich ein Ende findet und vernünftige Mittel und Wege zur Bekämpfung von pädophilen Aktivitäten diskutiert werden können.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kintzinger,

Ihre Sorge, die Sperrung von Webseiten mit kinderpornographischem Material könnte Beweisschwierigkeiten verursachen, erscheint mir nicht begründet. Dieser Aspekt ist in der rechtspolitischen Diskussion erörtert worden. Dabei hat sich gezeigt, dass eine Verschlechterung von Beweismöglichkeiten nicht zu befürchten ist. Im Übrigen erscheint mir der von Ihnen besorgte Effekt, dass die bisherigen Konsumenten von Kinderpornographie hiervon in Zukunft ablassen und etwaig vorhandes Material vernichten könnten, nicht der Schlechteste zu sein. Denn mit den Überlegungen zur Sperrung kinderpornographischer Seiten soll - im Interesse des Schutzes der betroffenen Kinder - gerade das Ziel der Eindämmung des Konsums solchen Materials erreicht werden.

Auch wenn sich damit die von Ihnen aufgeworfene Frage, ob der Staat Gesetze erlassen darf, die die Strafverfolgung erschweren, im konkreten Fall nicht stellt, möchte ich sie - weil sie mir von allgemeinem Interesse scheint - nicht unbeantwortet lassen. Der Staat als Inhaber des Gewaltmonopols ist grundsätzlich verpflichtet, den Bürgerinnen und Bürgern den notwendigen Schutz zu gewährleisten. Dazu gehört auch das Strafrecht, das Rechtsgüter unter einen strafbewehrten Schutz stellt. Damit dieser wirksam ist, muss die Verfolgung von Straftaten grundsätzlich gewährleistet werden - allerdings nicht um jeden Preis. So kennt die Strafprozessordnung etwa Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsverweigerungsrechte, die dem Gedanken Rechnung tragen, dass niemand verpflichtet sein soll, gegen sich selbst, nahe Angehörige oder etwa einen Patienten oder Mandanten auszusagen. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass eine Straftat nicht aufgeklärt oder nachgewiesen werden kann. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen besteht gleichwohl keine Zweifel.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries