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Frage von Peter W. •

Frage an Brigitte Zypries von Peter W. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich habe einige Fragen zur praktischen Durchführung des Gesetzes für Internet-Zugriffssperren:
1. Aus Ihrer Antwort vom 11.05.2009 an Herrn Roy entnehme ich, dass für jede Übermittlung der IP-Adresse eines Stopp-Schild-Zugriffs eine richterliche Entscheidung erforderlich ist. Wie sollen bei den geschätzten 450.000 Zugriffen pro Tag, diese ca. 5 richterlichen Entscheidungen pro Sekunde "in Echtzeit" in der Praxis erfolgen und auf welcher Grundlage, da zum Zeitpunkt der Entscheidung nichts über den Täter bekannt sein kann?

2. Um mehrfache Stopp-Schild-Zugriffe durch denselben Täter feststellen zu können, muss für jede ermittelte IP-Adresse eine richterliche Entscheidung und eine Vorratsdatenabfrage bei den Providern erfolgen. 450.000 Abfragen pro Tag entsprechen 164 Millionen Abfragen pro Jahr. Bei geschätzten Kosten von 20 Euro pro Entscheidung und Abfrage ergeben sich Kosten von 3,2 Milliarden pro Jahr. Wie sollen diese Kosten finanziert werden?

3. Wenn nach 3 Stopp-Schild-Abrufen pro Täter ein Strafverfahren eingeleitet wird, ergeben sich 50 Millionen Strafverfahren pro Jahr (ca. 1 Verfahren für jeden Internetnutzer pro Jahr). Geschätzte Kosten: mindestens 50 Milliarden pro Jahr. Wie sollen diese Kosten finanziert werden?

4. Aus welchem Etats werden alle diese Kosten gedeckt? Warum sind diese absehbaren Kosten nicht im Gesetzentwurf aufgeführt?

5. Wird es eine Art Straftaten-Tombola geben, um die Kosten und die Anzahl der Strafverfahren zu begrenzen? Sehen Sie dabei das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes gewährleistet?

6. Müssen diese exorbitanten Kosten für die Verfolgung von Stoppschild-Abrufern bei der Verfolgung von schweren Straftaten eingespart werden, wie z.B. den mindestens 100-fach größeren Fallzahlen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Herstellung von Kinderpornografie?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Wagner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wagner,

wie groß die Anzahl der Zugriffe auf Webseiten mit kinderpornographischen Inhalt ist, kann offenkundig niemand verlässlich sagen. Es existieren lediglich Schätzungen, die weit auseinander gehen und sich meines Erachtens vor allem dadurch auszeichnen, dass Ihnen oftmals eine tragfähige und nachvollziehbare Grundlage fehlt. Ich vermag deshalb auch die von Ihnen genannte Zahl von 450.000 weder zu bestätigen noch nachzuvollziehen.

Ihre Fragen geben mir im Übrigen Anlass nochmals klarzustellen, dass mit dem von den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag eingerbachten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzes keine neuen Strafverfolgungsbefugnisse geschaffen werden. Es geht vielmehr darum, den Zugang und damit den Konsum von solchen Netzinhalten zu erschweren, wobei die Einzelheiten des Gesetzentwurfs derzeit noch im Parlament beraten werden und ich dem Ergebnis dieser Beratung nicht vorgreifen kann. Wir müssen indes - und darauf habe ich stets hingewiesen - im Auge behalten, dass bereits der Versuch, sich den Besitz von Kinderpornographie zu verschaffen, vom geltenden Recht unter Strafe gestellt ist (§ 184b Absatz 4 des Strafgesetzbuchs). Schon der Versuch, eine entsprechende Seite im Netz aufzurufen, kann deshalb im Einzelfall eine Strafbarkeit begründen. Und die Strafverfolgungsbehörden sind gemäß dem Legalitätsprinzip verpflichtet , wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen (§ 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung - StPO).
In meiner Antwort an Herrn Roy habe ich nicht ausgeführt, dass für jede einzelne Erhebung einer IP-Adresse eine gerichtliche Anordnung erforderlich sei. Soweit die Erhebung von Verkehrsdaten, wie z. B. dynamischen IP-Adressen, in Betracht kommt, ist diese Maßnahme für einen bestimmten Zeitraum (pro Anordnung maximal drei Monate) anzuordnen. Aufgrund einer solchen Maßnahme kann somit eine Vielzahl von Daten erhoben werden, ohne dass hierdurch die von Ihnen besorgten hohen Kosten ausgelöst werden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries