Frage an Brigitte Zypries von Thomas P. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Ministerin Zypries,
Sie setzen sich erfreulicherweise immer wieder für die sinnvolle Nutzung zeitgemäßer Informationstechnologie in der Justiz ein und es ist ja auch Einiges zum Thema eJustice und eGovernment auf den Weg gebracht worden.
Jedoch passiert im Kernbereich der Justiz, dem "Gerichtsverfahren der Zukunft" selber viel zu wenig. Die Wissenspräsentation vor Gericht, die Kommunikation bei Gericht, die Verfahrensabläufe könnten noch wesentlich effizienter gestaltet werden, wie es eigentlich in den Pkt 7 u. Pkt 8 der "10 Punkte für eine bessere Justiz dank eJustice" gefordert ist (s. Pressemitteilung des BMJ v. 15. März 2007).
Warum wendet man die Methoden zB. der Präsentationstechnik, der Workflow-Analyse und der Dokumentenverwaltung, die außerhalb der Justiz längst gang und gäbe sind, beim Gerichtsverfahren nicht oder nur bruchstückhaft an?
Warum befragt man zwecks Bedarfsanalyse nicht auch die Rechtssuchenden, sondern überlässt die "Weiterentwicklung" des Gerichtsverfahrens nur den Justizbediensteten? Dh. warum befragt man – im übertragenen Sinne zwecks Veranschaulichung - beim "Austrocknen des Sumpfes" nur die "Frösche"? Warum institutionalisiert man nicht den Dialog zwischen Rechtssuchenden und Justiz, so wie entsprechend bei anderen Dienstleistungen, z.B. bei der Deutschen Bahn, selbstverständlich?
Warum werden vom BJM keine Anreize an die Anbieter juristischer IT gesetzt, zum "Gerichtsverfahren der Zukunft" Lösungsvorschläge auszuarbeiten (ebenda, Pkt 10)?
Könnten Sie sich nicht dafür einsetzen, dass entsprechende Studien ausgeschrieben werden? Aufwändig wäre das nicht, da es ja um Methoden geht, die ja außerhalb der Justiz längst selbstverständlich geworden sind und Kapazität gibt es derzeit reichlich.
Warum nehmen Sie einfach hin, dass der gesetzte Zeitplan für eJustice bis 2010 eklatant verfehlt werden wird? Glauben Sie nicht, dass entsprechende Signale aus Ihrem Haus jetzt dringend notwendig sind?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Peltason
Sehr geehrter Herr Peltason,
vielen Dank für Ihre interessanten Ideen und Vorschläge. Wie Sie wissen, ist es auch mir ein wichtiges Anliegen, die Potentiale der Informationstechnologie für die Justiz und vor allem für ihre Kommunikation mit den Rechtssuchenden möglichst umfassend zu nutzen. Weiterführende Anregungen zur Einführung von E-Justice greifen wir daher gerne auf. Zu Ihren Vorschlägen sind Ihnen aus dem Bundesministerium der Justiz bereits einige Anmerkungen übermittelt worden. Ergänzend dazu möchte ich Folgendes bemerken:
Mit dem Justizkommunikationsgesetz aus dem Jahr 2005 haben wir die Grundlage für eine elektronische Aktenverarbeitung geschaffen. Die Verfahrensbeteiligten - Richter, Rechtsanwälte, Bürger - haben seither die Möglichkeit, elektronische Kommunikationsformen gleichberechtigt neben der - herkömmlich papiergebundenen - Schriftform oder der mündlichen Form rechtswirksam zu verwenden. Die Bundesgerichte haben auf der Grundlage dieses Justizkommunikationsgesetzes alle den elektronischen Rechtsverkehr eingeführt. Auch die Einführung elektronischer Vorgangsbearbeitung betreiben wir mit Nachdruck; die "elektronische Akte" wird derzeit im gerichtlichen Einsatz erprobt. Besondere Anforderungen an den Verfahrensablauf ergeben sich dabei aus der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit.
Die ganz überwiegende Zahl der Gerichtsverfahren findet allerdings vor den Gerichten der Länder statt. Für deren Ausstattung insbesondere mit elektronischen Arbeitsmitteln sind die jeweiligen Landesministerien zuständig. Das Bundesministerium der Justiz ist lediglich für die Verwaltungsangelegenheiten der Bundesgerichte zuständig.
Das von Ihnen angesprochene instanzübergreifende elektronisch geführte Verfahren setzt interoperable Infrastrukturen bei den Bundes- und den Landesgerichten voraus, der Bund alleine könnte ein solches Verfahren nicht einrichten. Mit der Fortentwicklung und Koordinierung der erforderlichen Infrastruktur ist vor allem die Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz (BLK) befasst, aber auch der EDV-Gerichtstag e. V. und rechtswissenschaftliche Institute der Universität des Saarlandes und der Universität Passau. Die letztgenannten Institutionen bieten meines Erachtens die richtigen Foren für den von Ihnen angeregten Austausch zwischen den Verantwortlichen in der Justiz und in der Verwaltung und den Rechtssuchenden. Sie sind zugleich die Gelegenheit für Anbieter von IT-Lösungen, sich über die Anforderungen zu informieren, die eine IT-Ausstattung für die Justiz erfüllen muss.
Eine weitere Verbesserung der Kooperation von Bund und Ländern generell im IT-Bereich und speziell bei der Einführung von E-Justice verspreche ich mir darüber hinaus von den Reformen, auf die wir uns in der Föderalismuskommission II geeinigt haben und über die derzeit Bundestag und Bundesrat beraten: Auf der Grundlage des neue Art. 91 c GG können Bund und Länder gemeinsame Standards für ihre IT-Systeme festlegen und damit die Interoperabilität ihrer Systeme sicherstellen. Das wird den Einsatz der Informationstechnologie nicht nur, aber auch im Bereich der Justiz weiter erleichtern.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries