Frage an Brigitte Freihold von Bernd S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Die Linke veranstaltet zur Wahl mal wieder ein „Wunschkonzert“ an Forderungen. Wer soll das eigentlich bezahlen und wie soll das gehen?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ja, unsere Forderungen für ein gerechtes Bildungssystem, für die Erhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge, für bezahlbare Mieten und Energie, für eine sanktionsfreie, armutsfeste Mindestsicherung, den ticketlosen Nahverkehr oder eine auskömmliche Mindestrente zur Verhinderung von Altersarmut kosten Geld. Dieses Geld sind uns die Menschen Wert. Gysi sagte einmal, man muss das Geld dort holen, wo es ist. Diese Antwort ist in ihrer Logik nicht zu übertreffen. Rheinland-Pfalz ist ein reiches Land - aber jede fünfte Rheinland-Pfälzerin und jeder fünfte Rheinland-Pfälzer verfügt praktisch über keine Sparrücklagen, Anlagen oder sonstiges Eigentum. Die Hälfte der Rentnerinnen und Rentner in Rheinland-Pfalz lebt in Altersarmut und muss mit weniger als 710 Euro Rente auskommen. Demgegenüber besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mehr als alle anderen zusammen. Die Armutsgefahr in unserem Land steigt, Rheinland-Pfalz steht im Vergleich der Bundesländer auf einem traurigen zweiten Platz der höchsten Armutsgefährdung. Betroffen sind überdurchschnittlich viele ältere und junge Menschen, bei den Alleinerziehenden besteht bei fast jeder zweiten Armutsgefahr. Die Folgen sind verheerend: Neben der alltäglichen Ausgrenzung und Zurücksetzung macht Armut krank - und Krankheit macht arm. Und: Armut gebiert Armut, weil Bildungschancen ist fast keinem anderen Industrieland so stark vom Geldbeutel der Eltern abhängen wie in Deutschland. Armut von Kindern und Jugendlichen ist der dramatischste Ausdruck der sozialen Schieflage in Deutschland und ein gesellschaftlicher Skandal. In Rheinland-Pfalz lebt jedes fünfte Kind unter 15 Jahren unterhalb der Armutsgrenze: Hartz IV ist und bleibt Armut per Gesetz! Durch die Einführung dieses entwürdigenden Systems sind heute in Deutschland mehr Arbeitslose von Armut betroffen als in jedem anderen EU-Land. DIE LINKE steht für soziale Gerechtigkeit in Rheinland-Pfalz, für eine Umverteilung von oben nach unten, die berücksichtigt, dass breitere Schultern auch die größeren Lasten zu tragen haben. Wir wollen, dass alle Menschen einen fairen Anteil an dem Reichtum und Wohlstand erhalten, der in Rheinland-Pfalz erwirtschaftet wird. Jeder, der Armut bekämpfen will, muss deshalb Reichtum begrenzen und kommt an der Frage der Umverteilung nicht vorbei. Dafür brauchen wir eine gerechte Steuerpolitik. Würde in Deutschland nur die mittlere Quote der Steuern und Abgaben auf Gewinne und Vermögen erhoben wie im Durchschnitt der europäischen Union, hätten wir pro Jahr 130 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Hätten wir die Steuersystematik mit einem Spitzensteuersatz wie zu Zeiten Helmut Kohls, hätten alleine die Bundesländer 31 Milliarden Euro mehr in den Landeskassen. Wir fordern deshalb eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei gleichzeitiger Entlastung für untere und mittlere Einkommen, eine deutliche Erhöhung der Erbschaftsteuer auf leistungslose Vermögen und eine Vermögensteuer in Form einer Millionärssteuer. Übrigens: Die Vermögenssteuer wurde nicht, wie immer wieder kolportiert, abgeschafft. Sie wurde in der 1990er Jahren lediglich auf Grund einer fehlerhaften Erhebung ausgesetzt. Sie könnte durch Bundestagsbeschluss mit einfacher Mehrheit mit sofortiger Wirkung wieder erhoben werden und käme als reine Landessteuer insbesondere Ländern wie dem hochverschuldeten Rheinland-Pfalz zu Gute. Aber auch das Land Rheinland-Pfalz könnte selbst aktiv werden. Seit Jahren mahnt der Bund der Steuerzahler die Einstellung von mehr Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfern an und hat errechnet, dass eine einzige neue Planstelle in diesem Bereich nach Abzug aller Kosten zu Mehreinnahmen des Landes von mehr als einer Million Euro führen würde. Die rot-grüne Landesregierung hat zwar eine deutliche Aufstockung des Personal bei den Steuerbehörden versprochen, aber niemals umgesetzt. Merke: Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge!
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Freihold