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Bodo Ramelow
DIE LINKE
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Frage von Jochen S. •

Frage an Bodo Ramelow von Jochen S.

Ihre Partei spricht oft von einer notwendigen Gebietsreform in Thüringen. Ich habe den Eindruck, dass man immer wieder auf alte DDR-Strukturen zurückgreift, was drei oder evtl. vier Großkreise betrifft. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass "alte" Genossen darin wieder die alten Bezirke zurück haben wollen. Jena wäre dann ja wieder an Gera gebunden (wie schrecklich). Kulturhistorisch besteht ja schon immer eine nähere Verbindung zu Weimar und Apolda! Was ist Ihre Meinung dazu?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schmidt,

gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihre Anfrage ein wenig ausführlicher zu beantworten.

DIE LINKE Thüringen hat 2005 ein Diskussionspapier für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform auf einem Landesparteitag beschlossen. Es geht also nicht nur um Fragen der Gebietsreform. Vielmehr will DIE LINKE die gesamte Landes- und Kommunalverwaltung für die neuen Herausforderungen fit machen und insbesondere transparenter und bürgernah gestalten. Hierzu hält es DIE LINKE für notwendig, den bisherigen dreistufigen Verwaltungsaufbau in Thüringen (Ministerien, Landesmittelbehörden, kommunale Ebene) schrittweise in die Zweistufigkeit zu überführen, so wie dies schon in einigen Bundesländern (Brandenburg, Schleswig-Holstein) der Fall ist. Die über 70 Landesmittelbehörden, die bekannteste ist das Landesverwaltungsamt, würden damit aufgelöst und deren Aufgaben wegen der Bürgernähe auf die kommunale Ebene übertragen. Selbstverständlich erhalten die Kommunen die hierfür entstehen Kosten voll ersetzt, so wie dies auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof gefordert hat.
Eine Kommunalisierung der Aufgaben der Landesbehörden ist jedoch in die jetzigen kommunalen Strukturen aus 17 Landkreisen und sechs kreisfreien Städten kaum sachgerecht möglich. Dies zeigen die bisherigen Kommunalisierungen, insbesondere bei den Versorgungs- und Staatlichen Umweltämtern.
Gleichzeitig halten wir die jetzigen Landkreise hinsichtlich ihrer Aufgabenstruktur und Finanzierung für nicht mehr zeitgemäß. Rund 80 Prozent der Landkreisaufgaben sind so genannte übertragene Aufgaben, die durch die gewählten Kreistage nicht beeinflussbar sind. Die Kosten für diese Aufgaben müssen die kreisangehörigen Gemeinden und Städte zahlen, ohne jedoch auf die Aufgabenerledigung einen Einfluss zu haben. Schließlich haben die Bürger in einem Landkreis immer mehrere Behörden als Ansprechpartner, nämlich ihre Gemeinde, oft auch die Verwaltungsgemeinschaft und den Landkreis. Dies ist nicht bürgerfreundlich. In den kreisfreien Städten haben hingegen die Bürger nur eine kommunale Behörde und können dort alle Angelegenheiten erledigen lassen. Dieses Verwaltungschaos in den Landkreisen wollen wir im Interesse der Bürger überwinden und schlagen deshalb vor, dass die Städte und Gemeinden künftig im Wesentlichen alle Aufgaben erledigen. Auch hier ist aber die Struktur mit rund 950 Gemeinden, davon nur rund 130 Gemeinden mit mehr als 3.000 Einwohnern, zu kleingliedrig.
Deshalb hält es DIE LINKE für notwendig, vorrangig die Städte und Gemeinden zu stärken und insbesondere die Verwaltungsgemeinschaften im Grundsatz zu Einheitsgemeinden zu entwickeln. Die Entscheidung hierüber sollen die Bürger im Rahmen von Bürgerentscheiden treffen können. Die bisherigen Landkreise sollen in Regionalkreise umgewandelt werden, die künftig im Wesentlichen nur noch Aufgaben mit überregionaler Bedeutung wahrnehmen. In der Folge kann die Anzahl der Landkreise deutlich reduziert werden. Wie viele Regionalkreise notwendig sind, muss weiter diskutiert werden. Die seit 1993 bestehenden vier Planungsregionen in Thüringen bieten sich jedoch auch als Regionalkreisstruktur an. Es sind aber auch andere Modelle denkbar. DIE LINKE will über diese Struktur offen mit den Bürgern diskutieren und auch hier soll letztlich der Bürger entscheiden können. Eine bloße Vergrößerung von Landkreisen hält DIE LINKE für nicht dienlich.

Keinesfalls will DIE LINKE zurück zur Bezirksstruktur der DDR. Vielmehr wollen wir eine moderne und bürgernahe Verwaltung in Thüringen schaffen. In Jena muss nicht befürchtet werden, dass wieder kommunale Entscheidungen in Gera getroffen werden könnten. Alle kommunalen Angelegenheiten von Jena werden künftig auch vor Ort entschieden. Ein künftiger Regionalkreis nimmt nur solche Aufgaben wahr, die bisher durch Landesbehörden umgesetzt werden, also auch bisher nicht zu den Zuständigkeiten der Stadtverwaltung Jena gehören.
Inwieweit sich Jena stärker in Richtung Apolda und Weimar orientiert, muss vor Ort entscheiden werden. Hier gibt es ja bereits Ansätze, z. B. im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs. Im Übrigen sucht Jena auch die Zusammenarbeit mit Gera. So gibt es gegenwärtig Gespräche zwischen den Stadtwerken Jena-Pößneck und Gera, um stärker zu kooperieren oder sich sogar zusammenzuschließen. Solche Überlegungen und Projekte finden die Unterstützung der LINKEN.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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