Frage an Birgitt Bender von Wolfgang R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Bender!
Den Äußerungen einiger Mitglieder Ihrer Partei entnehme ich, dass die Grünen für einen gleichen Lohn bei gleicher Arbeit eintritt. Ist meine Annahme richtig?
Stimmt es auch, dass es noch nie öffentliche Kritik von Ihrer Partei an den sehr unterschiedlichen Bezahlungen von Zahnärzten bei gleichen Leistungen gab? Findet Ihre Partei es richtig, dass ein Zahnarzt ein Mehrfaches verlangen darf als ein anderer und falsch, wenn eine Frau oder ein Leiharbeiter 20% weniger erhält als ein Mann oder ein festangestellter Mitarbeiter? Durch die politisch eingeführten Pauschalzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen bei freier Gestaltung der Preise im Rahmen der Gebührenordnung, die wieder kräftig erhöht wurden, ist der Patient der Dumme. Er muss die überhöhten Preise begleichen oder zahlt für die rasant steigenden Gebühren der Zahnzusatzversicherungen (jährlich ca. 10 %), wobei seine Einkommenssteigerungen nur 1 bis 3% betragen. Ich bezeichne das auch als Umverteilung von unten nach oben! Finden Sie diese Entwicklung richtig? Wenn nicht, was wollen die Grünen dagegen unternehmen? Es gibt andere Gebührenordnungen, wie z. B. die Kehr- und Überprüfungsordnung für Heizungsanlagen. Da erhält jeder Schornsteinfeger den gleichen Betrag für dieselbe Arbeit. Wer ist eigentlich für die Festlegung der Gebührenordnungen verantwortlich und was berechtigt die krassen Unterschiede in der Preisgestaltung?
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" ist für uns eine Selbstverständlichkeit.
Das System der befundorientierten Festzuschüsse für Zahnersatzleistungen, das zum 01.01.2005 eingeführt wurde, gewährt den Versicherten unabhängig von der Wahl der Versorgung den gleichen Krankenkassenzuschuss. Grundsätzlich ist das eine gerechtere Lösung als zuvor. Denn früher bekamen die PatientInnen einen prozentualen Zuschuss und damit auch dann einen höheren Betrag, wenn die Versorgung aufwendiger gestaltet wurde. Das neue System ist auch ein Vorteil für die PatientInnen, die z.B. einen implantatgestützten Zahnersatz wählen, weil sie hierfür vorher gar keinen Zuschuss erhielten. Geringverdienende wiederum erhalten den doppelten Festzuschuss (zur Regelversorgung, s.u.), um sich Zahnersatz leisten zu können.
Bei der Abrechnung und Honorargestaltung wird unterschieden zwischen der "Regelversorgung" (komplette Abrechnung der Festzuschüsse zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen), der "gleichartigen Versorgung" (Abrechnung wie Regelversorgung plus Vergütung einer Mehrleistung, die sich nach der privaten Gebührenordnung „GOZ“ bemisst) und der „andersartigen Versorgung“. Letztere wird vollständig privat abgerechnet und die Krankenkassen haben hier keine Prüfmöglichkeit in Form eines Heil- und Kostenplans. D.h., für die Zahnärzte ist es dann einfacher, höhere Preise zu verlangen. Zu prüfen ist daher der Vorschlag der Krankenkassen, alle Versorgungsarten einer Prüfung durch die Krankenkassen bzw. einer Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu unterwerfen, um hier einen gewissen Schutz der PatientInnen einzuziehen.
Problematisch kann sich zudem die Definition der Regelversorgung im G-BA gestalten. Je enger man die Regelversorgung fasst, umso teurer wird es für die PatientInnen, da der privat abzurechnende Teil entsprechend größer wird. Nun hat der Gesetzgeber mit Einführung der Festzuschüsse dem G-BA den Auftrag gegeben, den Inhalt und den Umfang der prothetischen Versorgung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und an den Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft anzupassen. Diese Vorgabe wurde nach unserer Einschätzung nicht hinreichend umgesetzt, das haben wir erst vor wenigen Wochen in Form einer Kleinen Anfrage ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711463.pdf ) der Bundesregierung gegenüber angemerkt. In der Konsequenz entspricht der Umfang der prothetischen Regelversorgung möglicherweise nicht mehr dem aktuellen Stand der zahnmedizinischen Möglichkeiten. Das bedeutet, dass die Versicherten möglicherweise auch für einen Teil der Leistungen die Kosten selbst tragen müssen, die nach aktuellen Erkenntnissen zahnmedizinisch sinnvoll wären. Das belastet natürlich gering Verdienende besonders. Die Bundesregierung kommt hier zu einer anderen Einschätzung, wie Sie in der oben verlinkten Antwort auf unsere Kleine Anfrage nachlesen können. Derzeit läuft eine wissenschaftliche Überprüfung, die ggf. dazu beitragen wird, den Inhalt und Umfang der Regelversorgung an den Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft anzupassen. Erste Ergebnisse dazu werden nach Auskunft der Bundesregierung voraussichtlich Mitte 2013 vorliegen.
Ein weiteres Problem ist die private Gebührenordnung, die GOZ. Sie lässt den Zahnärzten auch aus unserer Sicht zu viele Spielräume, z.B. in der Gestaltung des Steigerungsfaktors, sodass es zu unterschiedlichen Bewertungen und Preisen kommt. Weil die GOZ durch Rechtsverordnung des Ministeriums festgelegt wird, haben wir im Bundestag keinen Einfluss. Denkbar wäre es, auch für die GOZ eine Art Bewertungsausschuss einzurichten, um mehr Evidenz in der zahnmedizinischen Versorgung zu erhalten.
Nach derzeitiger Marktlage lohnen sich leider die wenigsten privaten Zahnzusatzversicherungen. Da ist es meist besser, selbst Geld zurückzulegen für spätere Ausgaben. Die gesetzlichen Krankenkassen können ihren Versicherten über Kooperationsverträge mit den privaten Versicherungsunternehmen vergünstigte Zahntarife anbieten, auch hier sollten Sie ggf. vergleichen. Auf die Preisgestaltung privater Versicherungsunternehmen hat der Gesetzgeber keinen Einfluss, hier bleibt nur der Vergleich von Preis und Leistungen bei verschiedenen Anbietern.
Mit freundlichen Grüßen
Biggi Bender