Frage an Birgitt Bender von Sybille M. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
ich bin Studentin der Politikwissenschaft und möchte mich in meiner Abschlussarbeit mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz beschäftigen.
Dazu suche ich nach Anhaltspunkten, wieso es so lange gedauert hat, bis das in der Presse so titulierte "Reförmchen" verabschiedet wurde.
Können Sie mir sagen, an welchen Hürden eine frühere Verabschiedung einer inhaltsreicheren Reform zB innerhalb der Großen Koalition gescheitert ist? Wieso hat es dermaßen lange gedauert, bis es zur Reform kam, obwohl allen involvierten Parteien schon länger bewusst war, dass es eine Änderung braucht?
Mit freundlichen Grüßen,
Sybille Mocker
Sehr geehrte Frau Mocker,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zuallererst müssten Sie diese Fragen vor allem an die damals sowie heute regierenden Parteien bzw. Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD richten. Welche innerkoalitionären Auseinandersetzungen für die jeweils sehr überschaubaren Pflegereformwerke, also das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz und das Pflege-Neuausrichtungsgesetz, verantwortlich waren, kann ich nur mutmaßen. Dass die schwarz-gelbe Bundesregierung doch keine Traumehe ist, sondern von vielen politischen und konzeptionellen Unvereinbarkeiten geprägt ist, dürfte inzwischen aber offensichtlich geworden sein. Politisch überzeugende Konzepte kann ich in der derzeitigen Regierung nicht entdecken.
Fest steht, dass sowohl Schwarz-Rot als auch Schwarz-Gelb an den zwei zentralen pflegepolitischen Herausforderungen gescheitert sind, nämlich der Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und einer nachhaltigen Finanzierung. Der großen Koalition kann man immerhin noch zugute halten, dass sie mit der Einsetzung des Expertenbeirats zur Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2006 einen ersten wichtigen Schritt gegangen ist, um dieser Reform zumindest näher zu kommen. Allerdings lassen die Empfehlungen des Beirats aus dem Jahre 2009 immer noch sehr viele Fragen offen. Von daher hätte Schwarz-Gelb den Beirat direkt nach der Regierungsübernahme erneut einsetzen müssen, hat dies aber erst im März 2012 getan - also sogar nach Ablauf des von ihnen selbst ausgerufenen "Jahres der Pflege". Mir ist völlig unerklärlich, warum so lange damit gewartet wurde.
In der Frage der zukünftigen Finanzierung der Pflegeversicherung konnte Schwarz-Gelb sich - glücklicherweise! - letztlich doch nicht darauf verständigen, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umzusetzen. Die Einführung einer ergänzenden, verpflichtenden, individuellen Kapitaldeckung wäre zutiefst ungerecht und der Anfang vom Ende der Solidarität gewesen. Dennoch stellt auch der nun gefundene Kompromiss des freiwilligen "Pflege-Bahrs" eine Infragestellung des Solidarsystems dar. Anstatt das Solidarsystem zu stärken und zu einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung weiterzuentwickeln, hat sich Schwarz-Gelb für die unsoziale, überflüssige und bürokratische Förderung freiwilliger Pflegezusatzversicherungen entschieden. Auch davon geht klar die Botschaft aus, dass die Privatisierung des Pflegerisikos von Schwarz-Gelb gewünscht ist.
Da ich die Kritik von uns Grünen an dieser Stelle nicht im Detail darstellen kann, darf ich Sie bei Interesse auf ausführlichere Bewertungen unsererseits verweisen unter:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/pflege.html
Mit freundlichen Grüßen
Biggi Bender