Frage an Birgitt Bender von Constanze W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Bender,
im Zuge der Abstimmung über das sog. AMNOG wurde am 11.11.2010 die gänzliche Abschaffung der Anwendbarkeit des nationalen Kartellrechts nach GWB für einen Großteil der kleinen und mittelständigen Leistungserbringer im Gesundheitswesen beschlossen.Pflegedienste, Physiotherapeuten, Orthopädie-Techniker, Logopäden, Ergotherapeuten, etc., werden ab 01.01.2011 der Marktmacht und Willkür der mächtigen gesetzlichen Krankenkassen endgültig schutzlos ausgeliefert sein. Auf Beschluss des 14. Ausschusses vom 10.11.2010 (BT/ Drs. 17/3698) wurde § 69 Abs. 2 SGB V in letzter Minute neugefasst. Im Ergebnis führt diese Neufassung zu einem völligen Ausschluss der Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vorschriften des GWB für nicht verkammerte Leistungserbringer in weiten Bereichen des Gesundheitswesens. Eine nachvollziehbare Begründung für die Änderung des § 69 Abs. 2 SGB V gibt es .
Die auf den ersten Blick erfolgte Ausweitung des Anwendungsbereichs des Kartellrechts in der gänderten Fassung des § 69 Abs. 2 SGB V n.F. bei gleichzeitiger Zuweisung von kartellrechtlichen Streitigkeiten zur ordentlichen Gerichtsbarkeit durch § 51 SGG n.F. wird durch die Streichung des 2. Halbsatz in § 69 SGB V a.F. ("...und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt") pervertiert, ins Gegenteil verkehrt und stellt sich damit als reine Augenwischerei dar.Die Schiedsamtsregelung in § 69 Abs. 2 SGB V a.F. nimmt auf § 89 SGB V Bezug, weshalb es nach der bisherigen Fassung für alle nicht verkammerten und daher besonders schutzwürdigen Leistungserbringer (Pflegedienste, Physiotherapeuten etc., etc.) möglich war, sich auf die Normen des GWB zu stützen. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Was ist der Hintergrund der Änderung und wie stellen Sie sich den Schutz der Grundrechte aus Art. 2, 3, 12, 14 und 19 IV GG für kleinere und nicht verkammerte Leistungserbringer im Gesundheitswesen ab 01.01.2011 konkret vor?
Mit freundlichen Grüßen
C. Westphal
Justiziarin
Sehr geehrte Frau Westphal,
was die Abgeordneten der Regierungskoalitionen im Detail dazu bewegt hat, diesen Änderungsantrag einzubringen, müssten Sie bei Abgeordneten der Union oder FDP erfragen. Der Koalition schlug (für sie wohl unerwartet) in der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dieser Regelung des AMNOG massive Kritik entgegen. Diese war verbunden mit der Forderung, für die Verträge im Heil- und Hilfsmittelbereich das Wettbewerbsrecht nicht gelten zu lassen. Sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft Heilmittelverbände, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. und der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik kritisierten, dass die ursprünglich geplante Neufassung des § 69 SGB V zur Folge haben würde, dass sämtliche Verträge der Leistungserbringerverbände im Heil- und Hilfsmittelbereich als wettbewerbswidrige Preisabsprachen vom deutschen Kartellverbot erfasst und verboten würden.
Ihre Kritik an diesen daraufhin via Änderungsantrag vorgenommen Korrekturen verwundert uns, da er diametral den Einschätzungen der (von Ihnen als dadurch benachteiligt angesehenen) Leistungserbringer entgegensteht. Die Heil- und Hilfsmittelerbringer kritisierten die ursprünglich geplante Anwendung des Wettbewerbsrechtes auf Verträge aus ihrem Bereich und begrüßten die von Ihnen kritisch gesehenen Änderungen.
Mit freundlichen Grüßen
Biggi Bender