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Birgitt Bender
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Frage von Klaus S. •

Frage an Birgitt Bender von Klaus S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Birgitt Bender

Ich habe mit großem Interesse viele der Beiträge zum Thema Gesundheit in Phönix verfolgt. Meines Wissens tauchte in keinem der Beiträge unsere sehr hohe Mehrwertsteuer von 19% auf Medikamente auf. In den Niederlanden werden alle Medikamente mit 6% besteuert. Ich finde es skandalös u.U. lebenswichtige Medikament so zu besteuern wie Champagner und Kaviar. Geht eine solche Senkung nur bei Hoteliers?

Mit freundlichem Gruß

Dipl.-Ing. Klaus Schimanski

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schimanski,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Senkung der Mehrwertsteuer auf
Arzneimittel.

Im Grundsatz haben sie natürlich völlig Recht. Dass für Medikamente ein höherer Mehrwertsteuersatz gilt als für Katzenfutter oder Kartoffelchips, ist in der Sache schwer nachzuvollziehen.

Selbst das Bundesministerium der Finanzen gesteht das ein. Deswegen haben meine FraktionskollegInnen im Finanzausschuss des Bundestages immer wieder darauf gedrängt, eine Generalrevision des Mehrwertsteuersystems anzugehen. Die große Koalition hatte in der letzten Legislaturperiode daran aber kein Interesse, denn eine solche Überarbeitung birgt reichlich Konfliktpotenzial. Das neueste Beispiel dafür, dass eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes nicht automatisch zu sinkenden Preisen führt, sind die auch von Ihnen angesprochenen Hoteliers.

Daher haben wir berechtigte Zweifel, ob mit einer Mehrwertsteuerreduzierung Arzneimittel tatsächlich billiger würden, denn die Einführung eines reduzierten Satzes führt in der Regel nicht zu einer Preissenkung. Tatsächlich erhöht sich aber die Gewinnspanne des Anbieters. Beispiel McDonalds: Verzehr im Lokal 19% Mwst., Verzehr außer Haus 7% Mwst. Der Preis? Der gleiche! Nicht von ungefähr verlangt gerade auch die Pharmaindustrie nach ermäßigten Mehrwertsteuersätzen für Arzneimittel.

Selbst wenn die Preise für Arzneimittel sinken würden, wäre eine Reduzierung trotzdem ungerecht: Die Einnahmeausfälle müssten alle Bürgerinnen und Bürger bezahlen, sie würden laut Bundesministerium der Finanzen 3 Mrd. Euro im Jahr betragen. Von den reduzierten Preisen würden hingegen nur diejenigen profitieren, die nicht wegen geringer Einkommen von der Zuzahlung befreit sind. Bei chronisch Kranken ist die Zuzahlung zudem ohnehin auf 1% des Jahreseinkommens gedeckelt.

In Deutschland gilt für Arzneimittel die freie Preisbildung auf Herstellerebene. Die Preise werden also durch die Pharmaunternehmen und nicht durch den Staat festgelegt. Es stünde deshalb zu befürchten, dass der mit der Mehrwertsteuerreduzierung entstehende Spielraum von den Arzneimittelherstellern zu Preiserhöhungen genutzt würde. In der Folge hätten die Patientinnen und Patienten doppelt zu zahlen: für die nach wie vor hohen Arzneimittelpreise und über höhere Steuern für die entstandenen Steuerausfälle.

Eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel würde deshalb weitaus stärkere staatliche Eingriffe in die Preisfestsetzung für Arzneimittel erfordern als bisher. Die schließen wir nicht aus. Wir wissen aber auch, dass es dagegen erhebliche gesellschaftliche und politische Widerstände geben würde. In absehbarer Zeit ist deshalb mit einer solchen Maßnahme nicht zu rechnen.

Mit freundlichen Grüßen

Biggi Bender