Frage an Birgitt Bender von Denis D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Bender,
ich fühle mich seit Jahren von der Politik, wegen meines PC-Spiele Konsumes, diskriminiert.
Dass unter 18-jährigen gewalthaltige Spiele untersagt werden sollten ist absolut klar. Ich würde aber gerne wissen wie Sie und Ihre Partei zu dem Thema der gewalthaltigen PC-Spiele stehen. Das ist für mich und Millionen junger Menschen ein wichtiges Wahlkriterium!
Mich würden speziell Ihre Antworten zu folgenden Fragen interessieren. Primär würde ich gerne den allgemeinen Standpunkt Ihrer Partei erfahren und sekundär Ihren persönlichen.
1) Verwenden die Grünen den Begriff Killerspiele?
2) Wo sehen Sie die Ursachen von Amokläufen?
3) Wenn Sie etwas gegen gewalthaltige PC-Spiele unternehmen, was genau? Oder meinen Sie, dass die aktuelle Gesetzeslage bei konsequenter Anwendung ausreichen würde?
4) Was sagen die Grünen zum Beschluss der Innenministerkonferenz vom 5.Juni 2009 ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für gewalthaltige PC-Spiele einzuführen?
5) Wie ist der Standpunkt der Grünen zu einer Verschärfung des aktuellen Waffenrechts?
6) Sehen Sie PC-Spiele als Teil einer (Jugend)Kultur oder sind diese ein Übel das man hinnehmen muss?
Vielen Dank für Ihre Mühe!
Mit freundlichen Grüßen,
Denis Dengler
Sehr geehrter Herr Dengler,
vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie ein sehr heikles, vor allem ein sehr emotionales Thema ansprechen.
Für uns Grüne ist klar, dass Gewalt in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen hat. Deshalb wollen wir bestimmte Inhalte in Kinderhänden und vor Kinderaugen nicht sehen. Hier gibt es anspruchsvolle Jugendschutzbestimmungen in Deutschland, die wir 2003 in der rot-grünen Regierung grundlegend reformiert haben und die europaweit als die strengsten gelten. Ein Teil dieses komplexen Systems ist die Altersfreigabe durch die anerkannten Selbstkontrollen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der Indizierung von Medien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
Schreckliche Gewaltausbrüche junger Menschen wie in Erfurt, Emsdetten oder Winnenden lassen sich nicht eindimensional erklären. Wir plädieren für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ursachen. Strengere Verbote jedenfalls können solche Amokläufe nicht verhindern. Wer dies behauptet, will die Menschen in die Irre führen. Soziale und psychische Probleme und der allzu leichte Zugang zu Waffen spielen nach unserer Überzeugung eine viel wichtigere Rolle. Die Täter Erfurt, Emsdetten und Winnenden haben sich in ihrer Freizeit nachweislich exzessiv mit realen Waffen beschäftigt.
Wir haben in Deutschland einen großen bildungs- und gesellschaftspolitischen Nachholbedarf. Die Medienkompetenz, also der kritische und selbstbewusste Umgang von Jugendlichen und Erwachsenen mit Medien, muss konsequent ausgeweitet werden. Vor allem in der Schulpolitik haben die Bundesländer hier ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Notwendig ist auch eine „Kultur des Hinsehens“ und das Wahrnehmen von Erziehungsverantwortung.
Zudem fehlt bei uns eine wirksame Förderung qualitätsvoller Computerspiele, wie es sie in anderen Ländern längst gibt.
Zum Waffenrecht:
Bündnis 90/Die Grünen haben am 25.03.2009 im Bundestag den Antrag „Abrüstung in Privatwohnungen – Maßnahmen gegen Waffenmissbrauch“ eingebracht (Bundestags-Drucksache 16/12477). Im Bundesrat liegt derzeit eine Reihe von Änderungsvorschlägen des Waffengesetzes vor, die eine grundlegendere gesellschaftliche Debatte als in den letzten Jahren versprechen. Wir begrüßen diese Vorstöße von Seiten der Länder. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt – zumal der Bund nach der Föderalismusreform für das Waffengesetz zuständig ist.
Wir begrüßen, dass die Vorarbeiten für das dringend notwendige zentrale elektronische Waffenregister in Hamburg zum Abschluss gekommen sind. Wir drängen intensiv darauf, mit der bundesweiten Einrichtung eines Waffenregisters nicht bis Ende 2014 zu warten, sondern zügig mit der Umsetzung der EU-Richtline zu beginnen.
Im Mittelpunkt des Konzepts von Bündnis 90/Die Grünen steht die Frage, wie wir Amokläufe vermeiden können. Bei den Fällen in Winnenden und Erfurt hat ein psychisch labiler Jugendlicher legale Waffen benutzt. In Erfurt war sogar der Täter selbst der rechtmäßige Besitzer. Familiäre Situation, bewaffnete Haushalte und ein sehr ähnlicher Tatablauf sind hier in Deutschland – wie auch bei Fällen in anderen Ländern – erschreckend.
Wir müssen deswegen jetzt ganz konkret über die Lagerung von Waffen außerhalb der Privatwohnungen diskutieren. Mindestens die Munition sollte zukünftig nicht mehr zu Hause aufbewahrt werden. Es gibt bereits heute Vorrichtungen in Sportanlagen, die eine Lagerung ohne zusätzliche Sicherheitsprobleme zulassen. Die pauschale Ablehnung der Aufbewahrung an den jeweiligen Sportstätten lässt die Möglichkeiten einer vernünftigen Sicherung – etwa durch Alarmsysteme – völlig außer Acht. Die Umrüstung ist sicherlich mit Kosten verbunden. Hier stellt sich jedoch die Frage, warum Menschen häufig erhebliche Summen in neue Waffen investieren – , bei deren Sicherung jedoch unüberwindliche Hindernisse sehen.
Wir wissen, dass eine solche zentrale Lagerung auch bei den Sportschützen nicht überall und nicht sofort möglich ist. Für den Anfang soll deswegen auf jeden Fall die Munition zentral und getrennt von den Waffen aufbewahrt werden. Eine Waffe ohne Munition kann logischerweise auch nicht für einen Amoklauf verwendet werden.
Wir fordern eine verstärkte und effektive Kontrolle aller Gruppen von Waffenbesitzern. Die gesetzlichen Regelungen aus der Novelle zum Waffenrecht von 2003 sollten erst einmal umgesetzt werden. Das gilt sowohl für die Darlegungspflicht bei der Aufbewahrung von Waffen (§ 36 Abs. 3 WaffG) wie auch für die Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG). Leider arbeiten die Behörden der Länder hier sehr unterschiedlich. Insgesamt gibt es noch große Lücken im Gesetzesvollzug. Wir fordern zudem die beschleunigte Einführung des bis 2014 vorgeschriebenen zentralen elektronischen Waffenregisters. Die Bundesregierung weiß gegenwärtig noch nicht einmal, wie viele legale Waffen in bundesdeutschen Haushalten überhaupt aufbewahrt werden.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn die aktuelle Diskussion auch von den Besitzerinnen und Besitzern von Waffen genutzt würde, um Lösungen zu überlegen. Das deutsche Waffenrecht ist löchrig und nicht praxistauglich. Wer es vorbehaltlos verteidigt, sollte ehrlicherweise auch einräumen, dass bislang alle gesetzlichen Änderungen nur gegen den erbitterten Widerstand der Waffenlobby durchgesetzt wurden.
Es wäre sehr erfreulich, wenn die Diskussion nicht „für und gegen Waffenbesitzer“ laufen würde, sondern zu mehr Vernunft und der Einsicht führt, dass Waffen in falscher Hand großen Schaden anrichten können.
Bei aller Differenz in den einzelnen Positionen würden wir eine sachliche und lösungsorientierte Debatte begrüßen. Nach Winnenden darf es auch nach Auffassung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung ein „Weiter–so-wie-bisher“ nicht geben.
Mit freundlichen Grüßen
Biggi Bender MdB