Sehr geehrter Herr Kaffenberger, wie ist Ihre persönliche Meinung bezüglich gendergerechter Sprache?
Sehr geehrter Herr Kaffenberger,
meine Frage an Sie bezieht sich auf ein äußerst aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema, nämlich die gendergerechte Sprache.
Wie ist Ihre persönliche Meinung (unabhängig von Ihrer Partei) hinsichtlich dieser Angelegenheit? Befürworter argumentieren, dass es ein wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung der Geschlechter sei, vor allem aber auch für diejenigen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen zuordnen können oder wollen. Teilen Sie auch diese Meinung oder halten Sie die gendergerechte Sprache für ein weniger relevantes Thema oder sogar für einen irrtümlicher Versuch der Geschlechtergleichheit?
Über eine schnelle und ausführliche Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Nadine K.
Sehr geehrte Frau K.,
gendergerechte Sprache ist wichtig. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass Sprache seit Beginn der Menschheitsgeschichte in einem kontinuierlichen Wandel ist. Nicht nur die Sprache an sich änderte sich, sondern auch Bedeutungszuschreibungen unterlagen einem Wandel. Die aktuelle Debatte um gendergerechte Sprache bildet diesen Wandel komprimiert in einem gesellschaftlichen Diskurs ab.
In den Sprach- und Genderwissenschaften, aber auch in den betroffenen Gruppen kursieren derzeit zahlreiche verschiedene Entwürfe für eine solche inkludierende Sprachregelung. Eine Einigung auf die Verwendung eines bestimmten Vorschlags konnte bisher leider nicht erreicht werden.
Es bleibt zudem zu bedenken, wie eine gendergerechte Sprache in ihrer alltäglichen Umsetzung auch möglichst barrierefrei angewendet werden kann. Hier sollte man insbesondere Menschen mit Seh- und Lesebehinderung bedenken, die etwa von Lösungen mit Schrägstrich und Doppelpunkt im Lesefluss mehr profitieren als mit Sternchen oder Unterstrich. Denn auch in Sprachausgabe-Programmen kann etwa ein Sternchen teilweise den Textfluss unterbrechen.
Auch seitens bekannter Institutionen wie des Rats der deutschen Rechtschreibung wurden bisher keine Empfehlungen für die Verwendung einer bestimmten Schreibweise gemacht. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat so beispielsweise erst im März seine Auffassung bekräftigt, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen. Der Rat sieht dies allerdings als eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne. Das amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege. Der Rat hat vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen.
Ich begrüße einen inklusiven Sprachgebrauch, durch den sich alle Menschen angesprochen fühlen und sicher sein können, mitgemeint zu sein. Mir persönlich würde ein Sprachgebrauch, der beide Aspekte, also sowohl Genderfragen als auch Inklusion mitdenkt, daher am liebsten sein. Zugleich ist meiner Meinung nach die Verwendung von Sprache als unmittelbares und oftmals spontanes persönliches Ausdrucksmittel etwas, das auf Freiwilligkeit basieren sollte. In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn sich mehr Menschen beständig und kritisch mit ihrem eigenen Sprachgebrauch auseinandersetzen. Sprache sollte niemanden verletzen oder ausgrenzen. Als essenzielles Mittel der Kommunikation sollte sie Basis sein für ein solidarisches, würdevolles Miteinander auf Augenhöhe.
Mit freundlichen Grüßen
Bijan Kaffenberger